Der Schneesturm
der hat den Teufel im Wagen.«
»Das ist weise gesagt!«, lachte der Doktor.
»Und obendrein wahr, der Herr. Die wo im Tross zurückfahrn, sind im Nu irgendwo eingekehrt und versaufen ihr Geld.«
»Du selber trinkst nicht?«
»Doch, schon. Aber in Maßen.«
»Na, da staune ich aber!«, lachte der Doktor, während er unter dem Bärenfell nach dem Zigarettenetui tastete.
»Was gibts da zu staunen?«
»Einspänner pflegen zu trinken.«
»Hält mir einer die Pulle vor die Nase, sag ich nich nein. Aber selber hab ich kein Fusel im Haus, wozu auch. Keine Zeit zum Trinken, der Herr – fünfzig Pferdis sind kein Pappenstiel.«
»Das sehe ich«, sagte der Doktor und versuchte seineZigarette anzuzünden, doch das Hölzchen wurde ausgeblasen.
Auch der zweite Versuch misslang. Es war nicht zu übersehen, dass der Wind zugenommen hatte. Der Schnee fiel jetzt in großen Flocken. Sie fielen auf die Pferderücken, drangen bis in die Ecken der Kaube, kitzelten den Doktor im Gesicht, rauschten gegen den Kneifer.
»Wie viel Werst sind es bis Dolgoje?«
»Um die siebzehn.«
Der Doktor meinte vom Stationsvorsteher eine andere Zahl gehört zu haben: fünfzehn.
»Ist es bei dem Wetter in zwei Stunden zu schaffen?«, erkundigte sich Garin.
»Wer weiß das schon«, sagte der Krächz lächelnd und zog sich die Mütze zum Schutz gegen den Schnee tief in die Augen.
»Wenigstens ist die Straße schnurgerade.«
»Die ist tadellos«, nickte der Krächz.
Die Straße ging durch freies Feld mit einzeln stehenden Büschen, auch ohne die wenigen aus dem Schnee ragenden Wegstangen war sie gut auszumachen. Später wurde daraus ein lichter Wald, die Stangen hörten ganz auf, dafür bog von rechts eine Schlittenspur gegen die Straße ein und markierte das nächste Stück Weg. Dass vor Kurzem ein anderer hier durchgekommen war, fand der Doktor tröstlich.
Das Mobil hielt sich in der Schlittenspur, der Krächz lenkte mit leichter Hand, der Doktor rauchte.
Bald rückte das Gehölz näher an sie heran und wurde dichter, die Straße senkte sich, das Mobil fuhr in einen Birkenwald ein. Der Krächz zerrte die Zügel zu sich heran.
»Brrrr!«
Die Pferde blieben stehen.
Der Krächz stieg ab, machte sich am hinteren Teil der Kaube zu schaffen.
»Was ist?«, fragte der Doktor.
»Ich deck die Pferdis ab«, erklärte der Fuhrmann und zog eine zusammengerollte Plane hervor.
»Das machst du richtig«, sagte der Doktor und spähte ins Schneetreiben. »Es nimmt zu.«
»Das tuts.«
Der Krächz zog die Plane über die Kaube, zurrte sie an den Rändern fest. Setzte sich, schnalzte und rief: »Hü-üh!«
Die Pferde liefen wieder los.
Im Wald fährt es sich ruhiger, dachte der Doktor. Da hat es nur den einen Weg, man sieht ihn und kann nichts falsch machen. Er schüttelte sich den Schnee vom Kragen.
»Bist du schon lange auf dem Trichter mit den Kleinpferden?«, fragte er den Krächz.
»Vier Jahre werdens sein.«
»Und wie kams?«
»Dadurch dass der Grischa starb, was mein kleiner Bruder in Choprowo war, der hinterließ Stücker zwei Dutzend von den Tieren. Seine Frau hat natürlich nix mehr von wissen gewöllt. Ich verkauf die, hieß es. Und da hat der liebe Gott ein Engelchen geschickt, das hat mir eingeflüstert zu fragen: Was solln die denn kosten? Drei Silberrubel das Stück. Und ich hatt just sechzig auf der Kante. Ich geb dir sechzig und nehm sie alle, hab ich gesagt. So sind wir uns einig worden. Ich hab sie in mein Handkorb gesetzt und bin damit zu mir nach Dolbeschino. Und wie das Glück es gewöllt hat, war unser Brotkutscher Porfiri mit sein Sohn grad in die Stadt weggemacht. Ich kriegte das Mobil günstig überlassen und die Pferdis gegen mein Radio eingetauscht. Und fahr an Porfiris Stelle das Brot aus seitdem. Dreißig Silberlinge Entgelt, davon lässt sich leben.«
»Und warum hast du keine normalen Pferde gekauft?«
»Pff-ff«, machte der Krächz und stülpte die Lippen aus, dass er von der Seite nun erst recht wie eine junge Dohle wirkte. »Norma-a-a-le! Für die kann man gar nich genug Heu machen. Wo soll ich einsame Rohrdommel im Sumpf das ganze Heu herkriegen, der Herr! Schon für ne Kuh mähst du dich dumm und dämlich, ich habs mit der Kuh auch sein lassen, hab sie abgeschafft. Mit den Kleinen, da isses prima: Ich säe einen Streifen Klee aus, den mäh ich ab und trockne das – das langt für den Winter. Gemahlner Hafer und bisschen Wasser zu – damit hat sichs!«
»Neuerdings halten sich manche Leute
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