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Der Schneesturm

Der Schneesturm

Titel: Der Schneesturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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schon«, murmelte der Krächz beim Aufschließen, zog die Tür auf und betrat den Stall.
    Sogleich wehten ihn die vertrauten, lieb gewonnenen Gerüche an. Ohne die Tür hinter sich zuzuziehen, damit ein bisschen Licht hereinfiel, ging er, vorbei an der Schmiede- und Sattlerbank, stracks zu den Boxen mit den Pferden. Ein freudiges Zirpen erfüllte den Raum. Im Unterschied zu Haus und Hof war der Pferdestall mustergültig in Schuss – neu, hübsch und sauber, was erkennen ließ, worin des Hausherrn vornehmliche Passion bestand. Der Stall war zweigeteilt. Gleich hinter der Tür lag der Bereich für Behufung und Schirrung, hier stand die Werkbank, auf ihm ein kleiner Amboss, daneben ein winziger Schmiedeofen, nicht größer als ein Samowar, der Blasebalg aus einem Smoker gefertigt, wie der Imker ihn benutzt; akkurat ausgelegt das Werkzeug: Messer, Hämmer, Zangen, Handbohrer, Raspeln, alles von kleinem Kaliber, dazu eine Büchse mit Pferdesalbe, ein Pinselchen darin. In der Mitte der Werkbank stand eine irdene Schale voll mit Hufeisen in Kopekengröße. Daneben eine weitere mit Hufnägelchen. An der Wand waren reihenweise winzige Kummeteaufgehängt, die an Schnüre mit getrockneten Pilzen denken ließen. Über der Werkbank hing eine große Petroleumlampe.
    Hinter der Huf- und Schirrwerkstatt befand sich der Futterboden – ein großer Bastkorb mit fein gehäckseltem Klee; dann kamen die Boxen mit den Pferden. Mit strahlendem Lächeln beugte sich der Krächz über die Bretterwand, und es ertönte ein vielstimmiges, an- und abschwellendes Gewieher aus den Mäulern von fünfzig Kleinpferden. Paarweise, zu dreien oder fünfen standen sie in den Boxen, deren jede über zwei aus dem Stamm gehauene Tröge verfügte: einen mit Wasser und einen mit Futter. In den Futtertrögen waren Reste der Hafergrütze zu erkennen, die der Krächz den Pferden um fünf Uhr morgens eingestreut hatte.
    »Was iss, ihr Galgenstricke, fröhliches Juchteln angesagt?«, fragte der Krächz seine Pferde, und das Wiehern verstärkte sich.
    Die jüngeren gingen hoch und strampelten mit den Vorderhufen, die gestandeneren schnaubten nur, nickten gravitätisch oder pendelten mit den Köpfen. Der Krächz ließ seine grobe Pranke in den Verschlag hineinfallen, die andere hielt den Brotkanten, und er begann nach den Tieren zu greifen. Streifte sie mit den Fingerspitzen, tippte ihnen an die Kruppen, strich über die Mähnen – und sie wieherten, streckten ihre Mäuler in die Höhe, schnappten spielerisch mit ihren Beißerchen nach seiner Hand, stießen die warmen Nüstern hinein. Keines der Pferde war größer als ein Rebhuhn. Er kannte jedes einzelne und hätte sagen können, wie es in seine Box gekommen war, seine Geschichte hererzählen, wer die Eltern waren und wie es sich machte, was für Allüren es hatte und welchen Charakter. Den Grundstock von des Krächzens Herde bildete eine Anzahl breitbrüstiger Falbhengste mit kurzemdunkelblondem Schweif, sie machten mehr als die Hälfte des Bestands aus; die übrigen waren Goldfüchse, Dunkelfüchse, acht Braune, vier Graue, zwei Apfelschimmel, ein Rapp- und ein Rotschimmel.
    Es waren ausnahmslos Hengste und Wallache. Kleinstuten waren kostbar, buchstäblich mit Gold aufzuwiegen. Sie standen alle in den Zuchtbetrieben.
    »Da habts ihr ein Fresschen. Feines Brot!«, sprach der Krächz und bröselte es ihnen in die Tröge.
    Die Pferde neigten die Köpfe darüber. Er wartete, bis alles Brot vertilgt war, dann klatschte er in die Hände und kommandierte laut: »Zum Anspannen! Hopp-hopp!«
    Und mit einem Ruck hob er die Planke, die alle Boxen nach vorne abschloss.
    Die Pferde liefen durch eine sauber ausgefegte hölzerne Rinne und formierten sich in ihr zur Herde, begrüßten sich überschwänglich, rappelten und zwackten einander, schlugen aus. Die Rinne führte zur Wand, hinter der das Mobil stand. Mit Entzücken betrachtete der Krächz seine Herde, sein Gesicht hellte sich auf und schien verjüngt. An den Pferden konnte er sich allezeit freuen – und war er noch so müde oder betrunken oder gedemütigt von irgendwem. Er zog den Schieber zur Seite, gab somit den Weg ins Gestämme des Mobils frei. Munter trabte die Herde ein, ungeachtet der frostigen Luft, die ihr aus dem ausgekühlten Inneren des Mobils entgegenschlug.
    »Hopp-hopp«, feuerte der Krächz seine Schützlinge an. »Iss nich gar so arschkalt heute, lässt sich aushalten …«
    Er wartete, bis das letzte Pferd im Mobil war, rückte den Schieber an

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