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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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aus seiner Hand fallen. Doch Fjodor schien seine Gedanken lesen zu können. Stöhnend rückte er vom Waschbecken ab und hinterließ blutige Schlieren auf dem weißen Boden.
    Jan drehte das Wasser auf. Es schoss gurgelnd aus dem Hahn, klar und eiskalt. Der trockene Stoff sog es gierig auf. Im Spiegel über dem Becken suchte er nach etwas, das ihm helfen könnte, aber da waren nur die freistehende Wanne, davor Laura gefesselt auf dem Boden, rechts vom Waschbecken eine Toilette, daneben ein Heizkörper – und sonst nichts. Noch nicht einmal ein Fenster. Die einzige Öffnung in der Wand war ein großer Lüftungsschacht.
    »Schneller«, knurrte Fjodor, »sonst zähle ich bei zwei weiter.«
    Jan drehte den Hahn zu. Sein Herz pumpte dumpf und rasend schnell, als er sich neben Laura kniete.
    »Fass sie ja nicht an. Du sollst ihr nur das Gesicht saubermachen.«
    Jan nahm das Handtuch und strich ihr den Ruß aus dem Gesicht. Aus ihren Augenwinkeln liefen Tränen, trotzdem sah sie ihn unverwandt an, ohne zu blinzeln, als könnte sonst ein Faden zwischen ihnen reißen.
    »Sssscht«, sagte er.
    Sie schluckte.
    Zwanzig Jahre. Ein paar hitzige Küsse im Haus seines Vaters. Und jetzt das hier. Das durfte nicht das Ende sein. Ihre Blicke hatten sich ineinander verschränkt wie in einer Umarmung. Er wollte sich nie wieder daraus lösen. Wollte nur in diesen Augen versinken, in deren Iris sich Avas Grün und das Blassblau ihres Vaters mischten.
    Himmel! Er wusste immer noch nicht, wer sie wirklich war. Er wusste nur, dass er sie nicht aufgeben konnte, und ein bodenloser Zorn überkam ihn.

Kapitel 54
    Berlin, 22. Oktober, 03:47 Uhr
    Fjodor starrte Laura an, sein Kind, das so gar nicht sein Kind war.
    Die Hebamme hatte ihm Laura nach der Entbindung in die Arme gedrückt, in einem Tuch, ein kleines atmendes pulsierendes Paket. Als er ihre Haut und den Flaum auf ihrem Kopf sah, da hatte er eine beißende Enttäuschung gespürt. Seine Hände waren ganz steif geworden, verkrampft, so wie sein Bauch, sein Herz, einfach alles.
    Dafür hatte er gekämpft?
    Sein erster Impuls war, Laura einfach fallen zu lassen. Doch aus irgendeinem Grund konnte er es nicht.
    Und so war es geblieben, bis heute.
    Fallen lassen! – Nicht fallen lassen können.
    Hatte er sich nicht von allem befreit? Sich seinen Kindheitstraum erfüllt? Er hatte unsichtbar sein wollen, mehr als alles andere. Und er hatte es geschafft. Er war unsichtbar.
    Froggy war nicht mehr, ausradiert, ein für alle Mal fort. Und mit ihm alle Verbote und Schranken. Er konnte tun und lassen, was er wollte. Keine Grenzen, keine Regeln, kein ›nein‹.
    Bis Laura auf die Welt kam.
    Fallen lassen! – Nicht fallen lassen können.
    Als hätte er sie erst verstoßen und dann gegen seinen Willen angenommen.
    Er hatte sich von ihr ferngehalten. Und dennoch hatte er die Vase gefüllt, über sie gewacht, sie in Nordholm beschützt, sie tausendfach fotografiert, aus sicherer Entfernung, mit Teleobjektiven, lang wie ein Unterarm. Er hatte zugesehen, wie sie aus Nordholm geflohen war, sich die Haare abschnitt, grotesk färbte, wie sie soff, zunahm, sich Ohrlöcher stach, so lange, bis ihr Äußeres nichts mehr mit dem ihrer Mutter zu tun hatte – als wäre das ihr größtes und einziges Bestreben. Und jedes Mal, wenn ihr jemand zu nah kam, hatte er das getan, was Väter nun einmal tun mussten.
    Niemals hatte er sie aus den Augen verloren. Selbst wenn er ein paar Tage verreist war, er wusste immer, wo Laura zu finden war. Er hatte alles im Griff. Bis zu dem Moment, als sie verschwand. Ohne jede Vorwarnung. Ohne jede Spur.
    Monatelang hatte er nach ihr gesucht, unter jeder verdammten Brücke, auf jeder verdammten Parkbank. Aber es war, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. 18 Jahre lang. Bis er, vor nur wenigen Tagen, zufällig dieses überirdische Wesen am Straßenrand gesehen hatte.
    Es war wie ein Déjà-vu gewesen, es fühlte sich beinah an wie damals auf Buck Stelzers Party. Jenny! Jenny, nur mit dunklen Haaren. Er hatte im Wagen gesessen und einen Steifen bekommen, verflucht! Er war ihr bis nach Èze gefolgt. Hatte sich vorgestellt, wie es sein würde, wenn sie auf seinem Stuhl saß, wie sie aussehen würde mit blasser Haut und hellblonden Haaren, nackt und rasiert, wie sie ausbluten würde, während er sie … Nein! Halt.
    Er schluckte.
    Er hätte Laura erkennen müssen. Aber 18 Jahre waren 18 Jahre. Und das Einzige, was er über Lauras Verbleib in dieser Zeit wusste, hatte er von diesem blonden

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