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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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modernen Volkstum. So kommen Politiker und Hyper-Konzern-Manager mit einem Zehntel der Steuern davon, die Sie und ich zahlen müssen, heißt es. Nun, und dieser Keiler, dem ich zuhörte, hatte eine halbe Million weggesperrt. Und er war außer sich vor Schrecken. Nicht vor Furcht - er wußte, man konnte ihn nicht überführen -, sondern vor Schrecken. Er sagte, das sei seine erste Abweichung vom Weg der Ehrlichkeit gewesen, und er wäre nie in Versuchung geraten, hätte nicht seine Frau ihn wegen eines wohlhabenderen Mannes verlassen. Doch nachdem er es nun getan und gemerkt hatte, wie leicht es war. wie sollte er da je wieder zu irgend jemand Vertrauen haben können?«
    »Aber er vertraute dem Offenen Ohr, oder?«
    »Ja, und das ist eines der Wunder, welche dieser Service bewirkt. In meiner Rolle als Priester war ich dazu verpflichtet, meine Verbindung mit Beichtwilligen, obwohl das Gespräch im Innern der Beichtkabine selbst in aller Stille stattfinden konnte, mit den Monitoren der Hachos zu koppeln. Und nichts konnte sie daran hindern, wenn sie mitbekamen, daß irgendein irgendwie Verdächtiger mich anrief, ihm anschließend aufzulauern und eine Wiederholung der Beichte aus ihm rauszuprügeln. Diese Art von Unaufrichtigkeit gehört mit zur Wurzel unseres größten Übels.«
    »Ich wußte nicht, daß Sie ein >größtes Übel< zugestehen. anscheinend entdecken Sie ja täglich neue Mißstände. Aber weiter.«
    »Mit Vergnügen. Ich bin sicher, daß eine Apparatur eingreift, sobald mir der Schaum vors Maul tritt, und mir das Kinn wischt. Ach, Scheiße! Es ist solche heuchlerische Haarspalterei, die mich auf die Palme bringt. Theoretisch besitzt jeder von uns Zutritt zu mehr Informationen als jemals zuvor in der Geschichte, und jede K-Zelle ist eine Tür dazu. Aber stellen Sie sich einmal vor, Sie wohnen neben einem Keiler, der plötzlich ins Landesparlament gewählt wird, und sechs Wochen später wird sein Haus für hunderttausend Dollar renoviert. Sie versuchen herauszufinden, wie er an das Geld gelangt ist. Vergebliche Mühe. Oder Sie versuchen zu erfahren, ob es stimmt, daß die Firma, für die Sie arbeiten, verkauft wird und Sie ohne Stellung, drei Kindern und einer Hypothek auf der Straße landen werden. Andere Leute sind anscheinend besser unterrichtet. Wieso hat dieser Fürchtenichts im Büro nebenan auf einmal so gute Laune, während er früher doch immer den Rüssel hängen ließ? Hat er sich Geld geliehen und die Aktien der Firma erworben, um sie fürs Doppelte zu verkaufen und sich zur Ruhe zu setzen?«
    »Geben Sie jetzt Anrufe beim Offenen Ohr wieder?«
    »Ja, beides sind authentische Fälle. Ich beuge die Vorschriften, weil ich weiß, daß sie mich zu Schlimmerem zwingen, wenn ich's unterlasse.«
    »Und Sie behaupten, sie seien typisch?«
    »Sicher sind sie's. Von allen Anrufen kommt fast die Hälfte - ich glaube, rund fünfundvierzig Prozent - von Menschen, die befürchten, daß andere Leute Daten besitzen, die ihnen unbekannt bleiben, und dadurch ungerechterweise bevortei-ligt sind. Trotz aller Behauptungen, die man ständig über die Befreiungswirkung des Datennetzes vernimmt, bleibt es doch die Wahrheit, daß es den meisten von uns einen brandneuen Anlaß zur Paranoia geboten hat.«
    »In Anbetracht dessen, für wie kurze Zeit sie sich in Abgrundsdorf aufhielten, ist Ihre Identifikation damit erstaunlich stark.«
    »Keineswegs. Es handelt sich um ein Phänomen, das man >sich verlieben< nennt, und es kann einem mit Orten wie mit Menschen widerfahren.«
    »Und zum ersten Krach Ihrer Liebe kam es auch ziemlich rasch.«
    »Stichel, Stichel! Zappeln Sie sich nur ab. Ich habe etwas fertiggebracht, das mich dafür im voraus entschädigt hat. Das ist mir ein schwacher, aber wertvoller Trost.«
    Freeman straffte sich. »Also waren Sie der Verantwortliche!«
    »Für die Vereitlung des letzten behördlichen Anschlags auf das Offene Ohr? Ja, gewiß. Ich bin stolz darauf. Abgesehen davon, daß das die erste Gelegenheit war, bei der ich meine Begabung im Interesse anderer Leute einsetzte, ohne darum gebeten worden zu sein oder mich darum zu scheren, ob es sich für mich auszahlte - was schon ein bedeutender Durchbruch an sich war -, handelte es sich bei dieser Leistung um ein untadeliges Meisterwerk. Während ich daran arbeitete, vermochte ich gefühlsmäßig zu erfassen, wie ein Künstler oder ein Autor bei der Ausübung seiner kreativen künstlerischen Tätigkeit in Verzückung geraten kann. Der Keiler, der

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