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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Besichtigung entdeckten sie, wie wohlüberlegt die Ortschaft bereits am Anfang angelegt worden war: ihr Mittelpunkt, der Grundgedankenplatz, fand seine Ergänzung durch untergeordnete Ortsteilkerne, die als Anziehungspunkt für je drei- bis vierhundert Einwohner dienten, aber weder einen isolierten Charakter besaßen noch eine nach innen gekehrte Natur, und jeder wies eine einzigartige Attraktion auf, die gewährleistete, daß sich gelegentlich Bewohner anderer Ortsteile herbeibemühten. Einer bot die besten Möglichkeiten zu Spielen, ein anderer hatte einen Swimming-pool, ein weiterer eine ständig wechselnde Kunstausstellung eingerichtet, wieder ein anderer einen Kinderzoo mit Dutzenden von zahmen Tieren zum Anfassen und Drücken, noch ein anderer einen Ausblick in eine von Bäumen mit unglaublich herrlicher Blütenpracht gesäumten Allee. und so weiter. Und alles war, wie Suzy Dellinger belustigt erklärte, aus »boshafter Planungswut« gestaltet worden - die Gründer der Ortschaft hatten eine Liste jener Dinge aufgestellt, die das Leben in einer Gemeinde erfreulicher gestalten konnten, dann entsprechende Grundelemente davon in geeigneten Bereichen der Anfangssiedlung verankert, die damals aus wackligen Hütten, verbeulten Wohnwagen und vielen Zelten bestand. Denn während der ersten eineinhalb Jahre, so erfuhren sie, hatten die Erbauer praktisch nichts verwendet außer Schrott. Dazu sehr viel Einfallsreichtum, um den nahezu völligen Mangel an Geld auszugleichen.
    Überdies bezog man die Neulinge unverzüglich in den Alltag ein, wo sich die Möglichkeit ergab. Als sie eine Verschnaufpause einlegten, um mit einem hochgewachsenen, kraftvollen Mann zu plaudern, der ein Anschlußstück des Leitungsnetzes reparierte, bat er sie mit aller Selbstverständlichkeit, ihm dabei zu helfen, die große Steinfliese wieder darüber an ihren Platz zu rücken; nachdem sie einem Eustace Fenelli vorgestellt worden waren, der ein beliebtes Restaurant mit Bar betrieb, hielten sie unversehens einen Riesentopf Minestrone aus der Küche, die köstliche Düfte verbreitete, in den Händen - »da Sie ja zufällig sowieso in die Richtung gehen!« Während sie in Begleitung von Lorna Treves zurück zum Hauptplatz schlen-derten, kam plötzlich aus einem Haus ein Mann mit bleichem Gesicht gestürzt und war überglücklich, Lorna zu sehen, weil er - wie er sagte - vorhin bei ihr angerufen und erfahren hatte, daß sie nicht daheim war; und gleich darauf standen sie mit sterilem Verbandsmaterial und einer Schüssel voll warmem Wasser dabei, während sie behutsam aus dem Fuß eines verheulten Kindes einen großen Glassplitter entfernte.
    »So etwas ist mir noch nirgendwo begegnet«, sagte später Kate mit leiser Stimme. »Dies Bewußtsein, daß jeder dazu bereit ist, jedem zu helfen. Ich hatte ja gehört, daß das möglich sein soll. Aber ich dachte, es sei längst außer Mode geraten.«
    Er nickte versonnen. »Und überdies hat man das Gefühl, daß es niemandem Schande macht, sich helfen zu lassen. Das gefällt mir am meisten.«
    Natürlich zählte zu den ersten Besonderheiten, die sehen zu dürfen sie sich wünschten, das tatsächliche HQ des Offenen Ohrs. Brad Compton warnte sie vor, sie würden es nicht allzu eindrucksvoll finden, und machte sie mit der Direktorin bekannt: Süßwasser. Einfach Süßwasser. Sie war eine große, verhärmte Frau von über sechzig, mit seit langem verblichenen Spuren von etwas im Gesicht und an den Armen, was einst, wie sie erläuterte, prächtige Medizin-Tätowierungen gewesen waren; sie hatte sich für die Reinkarnation eines berühmten Shawnee-Häuptlings gehalten und in Berührung mit den Geistern des Jenseits geglaubt, daher ein Hellseh- und Wahrsage-Institut in Oakland betrieben. »Aber keiner meiner Geister.« - ein verzerrtes Lächeln - ».warnte mich vor dem Großen Bay-Beben. Ich hatte einen Sohn, und. Aber das ist jetzt eine alte Geschichte. Ehe ich mich als Medium betätigte, war ich Telefonistin gewesen, und so kam es, daß ich einer der ersten Freiwilligen bei dem war, woraus sich später das Offene Ohr entwickelte. Sie wissen, wie alles anfing? - Nicht? - Ach so! Na, an allen Orten, wo sich Flüchtlinge niederlassen mußten, wovon die Mehrzahl weit weniger hübsch war als unsere Gegend hier, obwohl Sie sie mal an dem Tag hätten sehen sollen, als die Nationalgarde uns mit vorgehaltenen Waffen aufhielt und sagte, bis hierher und nicht weiter. Wo war ich?
    - Ach ja: natürlich wollte jeder, sobald die

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