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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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für Abgrundsdorf verteidigen, nicht Ihre persönlichen Unzulänglichkeiten.«
    »Es macht mir Spaß, wenn Sie Sticheleien äußern. Das zeigt mir, daß Ihr Selbstbeherrschungsvermögen nachläßt. Ich werde es weiter unterminieren. Ich warne Sie, es ist meine Absicht, Sie dahin zu bringen, daß Sie letztendlich die Nerven verlieren, ganz egal, wieviel Beruhigungsmittel Sie täglich nehmen. Ach, entschuldigen Sie - ein Scherzlein von schlechtem Geschmack. Aber, aber. bitte haben Sie Nachsicht. Hat es Sie eigentlich nie gewundert, daß aus den Folgen des Großen Bay-Bebens so wenig handfeste Daten entstanden, obwohl es sich um die stärkste einzelne Katastrophe in der Geschichte unseres Landes handelte?«
    Freemans Antwort fiel schroff aus. »Es war zugleich das am vollständigsten dokumentierte Ereignis unserer Geschichte!«
    »Was bedeutet, daß man daraus eine ganze Menge hätte lernen müssen, nicht wahr? Nennen Sie mir dafür mal einige Beispiele.« Freeman saß an seinem Platz und schwieg. Er verklammerte seine Finger, als wolle er verhindern, daß man sie zittern sah. Von neuem glitzerte Schweiß auf seiner Stirn. »Ich glaube, ich habe mich verständlich gemacht. Schön. Und nun überlegen Sie einmal. Nach dem Erdbeben mußten riesige Horden von Menschen praktisch wieder bei Null anfangen, und im wesentlichen fühlte die Allgemeinheit sich dazu verpflichtet, ihnen zu helfen. Es bot sich eine glänzende Gelegenheit, neue Prioritäten zu setzen, aus einigem Abstand in aller Ruhe abzuwägen, was von den zahllosen Möglichkeiten, die unser heutiger Erfindungsreichtum gewährleistet, erstrebenswert war und was nicht. Jahre verstrichen, in manchen Fällen ein Jahrzehnt, bevor die Wirtschaft stark genug war, um den Umbau der anfänglichen Barackenstädte in etwas von Dauer zu finanzieren. Gewiß, die Flüchtlinge selbst waren hilflos. Aber was war mit den Spezialisten von außerhalb, den Planern der Bundesbehörden?«
    »Sie wissen sehr wohl, daß sie die Siedler beraten haben.«
    »Aber haben sie ihnen zu vernünftigen Einschätzungen verholfen? Ums Verrecken nicht. Sie errechneten die Schäden in rein finanziellen Größen. Wenn es billiger war, diese oder jene Gemeinde dafür zu bezahlen, daß sie auf bestimmte Einrichtungen verzichtete, dann passierte es den betroffenen Gemeinden genau so und nicht anders. Alles im Rahmen des insgeheim geteilten Mißverständnisses, daß sie den Bedürfnissen der Nation am besten als unentbehrliche Meerschweinchen dienten. Was kam dann? Wieviel Geld hat man dafür bewilligt, um herauszufinden, ob eine Gemeinde ohne Kommunikatoren, ohne automatische Kreditbuchungsanlagen oder Enzyklopädie-Service in irgendeiner Hinsicht besser oder schlechter dran sei als der Rest des Kontinents? Keins - keines ! Was an halbherzigen Projekten in Gang kam, dem säbelte man in der nächsten Kongreßsitzung wieder die Birne ab. Unwirtschaftlich. Der einzige Ort, wo man konstruktive Arbeit leistete, war Abgrundsdorf, und zwar dank freiwilliger Amateure.«
    »Nachher läßt sich das leicht sagen!«
    »Aber auf jeden Fall hatte Abgrundsdorf Erfolg. Seine Gründer wußten ziemlich gut, was sie wollten, und sie verfügten über bedeutsame Argumente, die ihre Ideen absicherten. Das Prinzip, einen einzelnen Faktor zu verändern und abzuwarten, was dann geschieht, mag im Labor ja ganz nett sein. Aber in größerem Maßstab, zumal wenn man es mit Menschen zu tun hat, die infolge eines traumatischen Erlebnisses stark verstört und gezwungenermaßen zum Ärgsten heruntergekommen sind - Hunger, Durst, Epidemien -, darf man nicht so vereinfacherisch vorgehen. Aus der Geschichte gibt es genaue Hinweise darauf, daß gewisse Sozialstrukturen etwas taugen und andere wieder nichts. Die Leute des Claes-Colleges erkannten das und gaben sich alle Mühe, um eine feste Grundlage für eine neuartige Gemeinde zu schaffen, ohne sofort im Übereifer darüber Voraussagen anzustellen, was sich daraus entwickeln werde.«
    »Entwickeln. oder entarten?«
    »Es geht um den Versuch, zu jener Abzweigung in unserer gesellschaftlichen Entwicklung zurückzukehren, an der wir offenbar falsch abgebogen sind.«
    »Unter Einbeziehung aller Arten von unbelegtem halbmystischem Quatsch!«
    »Zum Beispiel.?«
    »Oh, etwa diese lächerliche Auffassung, uns seien schon vor der Geburt die Strukturen der Urfamilie, des Jäger-und-Samm-ler-Stammes und der Urfassung der Dorfgemeinschaft eingeprägt.«
    »Haben Sie jemals einen Säugling zu beruhigen

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