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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Fragen gestellt. Wenn Graham über sich selbst etwas überrascht war, nahm er an, alle jungen Männer, die einen Heiratsantrag machten, hätten solche Gefühle. Jede Nacht in seinem rotbedeckten Bett fühlte er sich verpflichtet, hundert Gründe für seinen Antrag zu finden. Sie waren alle belanglos. Da sonst kein Heiratsfähiger in Sicht war, waren sie in ihrem tuberkulösen Paradiesgarten einander so unausweichlich verbunden wie Adam und Eva.

4

    Vier Generationen der Familie Trevose waren auf ihre Art Mediziner gewesen. Wie viele andere Leute aus Cornwall hatten sie einst ihren Unterhalt aus dem Meer geholt, als Fischer, im Dienste des Königs oder als Schmuggler. Dann hatte sich, etwa zur Zeit der Thronbesteigung Königin Viktorias, der Bazillus, der kurzfristig in Grahams Brust logiert hatte, permanent im Rückgrat des jungen Enoch Trevose angesiedelt. Er litt an der Pottschen Krankheit, in trauriger Unkenntnis des großartigen Londoner Chirurgen aus dem achtzehnten Jahrhundert, der sie mit seinem Namen geadelt hatte. Der tuberkulöse Prozeß machte aus Enochs Rückgrat eine käsige Masse, die sich mit der Zeit als Keil aus mißgeformtem Kalk verfestigte und es ihm unmöglich machte, seinen Lebensunterhalt wie die anderen Familienmitglieder zu verdienen. Wie viele andere chronisch Leidende entwickelte er ein lebhaftes Interesse an medizinischen Dingen im allgemeinen und beschloß, Quacksalber zu werden. Er fühlte, daß ihm sein unheimlicher Buckel dabei ein wertvolles Hilfsmittel sein würde.
    Enoch fing an, daß er in den Dörfern von Cornwall mit Mitteln gegen den übermäßigen Genuß der Freuden von Tafel und Bett hausierte. Dann ließ er sich mit der Phrenologie ein, indem er verborgene geistige Fähigkeiten nach Beulen in der Schädeldecke beurteilte, doch das erwies sich als zu anspruchsvoll für seine Patienten. Er versuchte es statt dessen mit dem tierischen Magnetismus, aber der verschreckte die Leute völlig. Zuletzt hatte er Glück mit der Wiederbelebung der mittelalterlichen Kunst der Uroskopie. Auf Grund einer Inspektion des Urins in einer Kristallflasche konnte Enoch nicht nur Ratschläge bezüglich der Krankheit des Patienten, sondern auch für dessen geschäftliche, landwirtschaftliche und sogar Herzensangelegenheiten geben. Er war ein scharfsichtiger Kenner der menschlichen Natur. Als er starb, reichte seine Praxis von Truro bis Bath, sein goldbeschlagener Spazierstock war ebenso großartig wie der eines Londoner Modechirurgen. Mißerfolge hatte er höchstens ein-, zweimal im Jahr, wenn irgendein Spaßvogel das Produkt seiner Stute oder seiner Kuh statt der lebenswichtigen Flüssigkeit brachte.
    Da das Geld selbst die ärgste Entstellung mildert, heiratete Enoch die hübsche Tochter eines Wirtes aus Camborne und zeugte einen Sohn, der zu einem Apotheker in die Lehre gegeben wurde, um dort nach den Büchern und Blutegeln zu sehen. Der junge Mann entdeckte in sich die Fertigkeit, die Knochen der Männer, die sich unter Tag in den Zinnbergwerken verletzt hatten, wieder
    einzurenken oder auch die ihrer Herren, die betrunken vom Pferd gefallen waren. Mit der Zeit erfreute er sich eines Rufes, der viel mehr seinen medizinischen Kenntnissen als irgendwelchen Hexenkünsten zu verdanken war. Doch das Ärztegesetz von 1858 vernichtete seine Profession und riß die prächtigen Privilegien, in die er sich gekleidet hatte, wie Bettlerlumpen von ihm. In den Augen des Gesetzes war er nicht geprüft, nicht registriert, vermutlich ein Analphabet, unfähig zu praktizieren und nicht berechtigt, den Titel eines Doktors zu führen. Die Bitterkeit darüber tötete ihn fast. Er schätzte den Titel höher als das schändliche Vermögen seines Vaters. Er beschloß, daß seine eigenen Kinder ein richtiges Medizinstudium ergreifen sollten, in einem richtigen Spital und zum Großteil auf lateinisch. Eine Tochter reiste hinter den raschelnden Röcken von Miss Jex-Blakes nach Edinburgh. Seine Söhne gingen in das Blackfriars Hospital in London. Einer von ihnen belohnte seinen Ehrgeiz dadurch, daß er Anatomieprofessor wurde - zugegebenermaßen weniger durch seine Brillanz als durch seine Verfügbarkeit, denn er war gerade zur Hand, als der ehemalige Lehrstuhlinhaber sich beim Sezieren einer nachlässig gepökelten Leiche in den Finger schnitt und innerhalb einer Woche an Blutvergiftung starb. Dieser Anatom stand an einem grauen Januarmorgen des Jahres 1919 in seinem Studierzimmer und war in Betrachtungen über den

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