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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
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zerstört? , schrieb Athene. Die Welt ist ein Haufen Dreck und die Gegenwart ein Zerrbild, und zwar nicht zuletzt wegen Männern wie dir, die sich
besondere Mühe geben, alles, was im Leben gut und schön ist, zu entstellen.
    Männern wie dir? Warum klang diese Formulierung so vertraut? Hatte Kjartan eben nicht etwas Ähnliches gesagt, als er ihn bezichtigt hatte, etwas für Freistilringen übrig zu haben? Diesmal wurde er bezichtigt, die Personifizierung des Bösen zu sein. Eine ziemliche Ehre, wenn auch eine zweifelhafte. Wenn Frau Athene/Lóa Hansdóttir Recht hatte, war er sehr mächtig. Der böse Sveinn. Hahahahaha. Und was meinte die Frau damit, er würde alles entstellen, was gut und schön sei? Waren Frauen ihrer Meinung nach der Inbegriff alles Guten und Schönen? Und er entstellte sie? Er entstellte keine Frauen, er machte nur schöne Nachbildungen von ihnen. Bilder. Sonst nichts. Warum galt es als selbstverständlich, ein Bild von einer Frau zu malen, aber nicht, ein Abbild von ihr zu erschaffen?
    Eine andere, viel dringlichere Frage war wohl die: Warum diskutierte er im Geiste mit einer Schwachsinnigen, wenn es viel sinnvoller wäre, Zeit und Energie in etwas anderes zu stecken? Zum Beispiel die Bestellungen zu lesen, die übers Wochenende eingegangen waren. Oder über die Sache mit der Sekretärin nachzudenken. Vielleicht war seine Freundin Lóa ja bereit, den Job zu übernehmen? Falls sie nicht zu sehr damit beschäftigt war, gehässige Mails und Todesanzeigen für lebendige Menschen zu verfassen.
    Weiter unten auf der Seite fand er noch eine Mail von ihr: Vielleicht lebst du in dem Glauben, dass alle so abartig sind wie du, aber das stimmt nicht. Manche wünschen sich einfach, ihre Ruhe vor derart kranken Hobbys von Chauvinisten wie dir zu haben (da war es wieder – Männer wie du, du und deinesgleichen) und ein normales Familienleben zu führen. (Hört, hört!) Du glaubst vielleicht, du wärst ein großer Künstler und deshalb
über alles erhaben, aber du bist nichts anderes als Abschaum und ein Schwein.
    Ein Schwein? Erst jetzt wurde er richtig sauer. Wenn sie vor ihm gestanden hätte, hätte er sie jetzt angeschrien, sie solle zu ihrer Tat stehen oder für immer den Mund halten. Die Frau gehörte offenbar in eine Anstalt und brauchte Hilfe. Er nahm sich vor, keine weiteren Mails mehr von ihr zu lesen, nahm diesen Entschluss aber sofort wieder zurück. Falls sie ihren Besuch ankündigen würde, mit ein paar befreundeten Schlägern im Schlepptau, wäre es besser für ihn, wenn er das vorher wüsste und entsprechende Vorkehrungen treffen könnte, welche auch immer das sein mochten. Sich einen großen Hund zulegen? Die verdammte Polizei anrufen?
    Er lehnte sich im Stuhl zurück, schloss die Augen, spürte seinen Atem tiefer werden und hatte das Gefühl, sein Bewusstsein fokussiere sich auf einen Punkt auf seiner Stirn. Die Schwarzhaarige saß auf einem Stuhl vor ihm und stützte ihre Hände direkt vor ihrer Scham auf den Sitz.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie, ohne die Lippen zu bewegen. »Ich weiß es nicht. Spielt keine Rolle. Ist mir völlig egal.«
    Sie sah nicht so aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Ihr Gesicht sollte rund sein, der Zug um ihren Mund verwundert und ihre Augenpartie sanft. Aber da saß sie und machte ein Gesicht, als wolle sie ihm etwas Böses. So sollte es nicht sein, und ihm würde keine andere Möglichkeit bleiben, das zu beheben, als einen neuen Kopfabdruck zu machen.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie, ohne die geringste Mimik im Gesicht.
    »Was weißt du nicht?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie.
    »Ich habe dich ja auch gar nicht gefragt«, sagte er.

    »Spielt keine Rolle«, sagte sie.
    Er bekam Angst, ohne zu wissen, warum, und wurde dann von solcher Abneigung und Ekel gepackt, dass ihm die Luft wegblieb. Er wachte davon auf, dass sein Kopf mit einem lauten Schnarcher und einem gleichzeitigen Stechen in der Schulter auf seine Brust fiel und dann zurück auf die Stuhllehne schnellte.
    »Um Gottes willen«, sagte er und massierte seinen schmerzenden Hals.
    Er ging ins Schlafzimmer, konnte aber nicht einschlafen. Lange lag er mit geschlossenen Augen und der Decke im Arm hellwach im Bett. Die Sonne schien schräg durchs Fenster, war fast um die Ecke verschwunden, sein Schlüsselbein tat weh, und in seinem Knie pochte es unangenehm. In der Nähe des Hauses wurde ein Benzinrasenmäher angeworfen. Die Nachbarn hatten offenbar beschlossen, den Rasen zu mähen,

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