Der schottische Verfuehrer
draußen? Er hatte kurz davor gestanden, sich für immer von ihr zu verabschieden. Aber genau in dem Moment machte sie etwas, das mehr als nur tollkühn war und in ihm den unwiderstehlichen Wunsch weckte, sie zu beschützen.
Wenn ihm dieses störrische Mädchen noch einmal unter die Finger kam, dann würde er sie erwürgen. Einstweilen aber hastete er zu den Ställen.
Aus dem dichten Unterholz, in dem sie zusammengekauert hockte, beobachtete Isabel eine Abordnung von Frasyers Rittern, auf die sie unterwegs gestoßen war. Ihre Füße schmerzten von dem langen Marsch, bei jedem Atemzug brannte ihr die kalte Luft in der Kehle, und sie zitterte vor Übermüdung.
Am Himmel leuchtete es noch golden und lilafarben von der untergehenden Sonne, darum war es besser, sich vorsichtig zurückzuziehen, um im großzügigen Abstand das Nachtlager der Ritter zu umrunden. Da sie allerdings gesehen hatte, dass die Pferde der Ritter in einiger Entfernung von den Männern angebunden waren, im Schutz eines Tannenwäldchens, konnte sie sich noch nicht vom Lager losreißen.
Auf einem Pferd wäre es ihr möglich, auch nachts ihren Weg fortzusetzen. So war es denkbar, dass sie im Morgengrauen den Ausgang des Geheimgangs erreichte, durch den Duncan und sie von Moncreiffe Castle geflohen waren. Zu Fuß hingegen wäre sie frühestens in zwei Tagen da. Falls sie nicht vorher gefasst wurde.
Eins der Pferde wieherte.
Ein Ritter blickte zu den Tieren und machte eine Bemerkung zu den anderen Männern, ehe sie wieder ihr Gespräch aufnahmen.
Isabel war erleichtert. Auf Frasyers Land konnten sich die Männer offenbar gar nicht vorstellen, dass sie nicht alleine waren. Für ihren Plan konnte das nur hilfreich sein, denn nach Sonnenuntergang, sobald die Dunkelheit alles verschluckte, wollte sie eines der Pferde stehlen und davonreiten.
Erst Stunden später traute sie sich hervor. Bibbernd vor Kälte schlich sie zu den Tieren, über einen von den Rittern hinterlassenen Trampelpfad, um keine weiteren Spuren im Schnee zu hinterlassen. Isabel warf einen weiteren prüfenden Blick zu den Wachen, um sicherzugehen, dass diese sie nicht entdeckt hatten. Mit einem Spurt legte sie die letzten Schritte zurück und versteckte sich zwischen den Pferden.
Ein großer Hengst bewegte sich unruhig, ein zweiter schnaubte und stampfte mit einem Vorderhuf auf.
Isabel erstarrte, das Geräusch herbeilaufender Männer erwartend.
Über ihr knarzten die Äste im Wind, weiter weg schrie eine Eule. Frasyers Leute blieben in ihrem Kreis um das Feuer sitzen, und nur der Mann, der den Pferden am nächsten war, warf gelegentlich einen Blick herüber.
Sie atmete leise aus. Vorsichtig band sie das Pferd los, das am weitesten von den Männern entfernt stand. Die Hand auf sein Maul gelegt, führte sie es weg, wobei der Schnee unter ihnen beiden knirschte. Isabel kam es in der Stille der Nacht so laut vor wie ein Rammbock an einem Burgtor.
Erst hinter der nächsten Hügelkuppe lenkte sie das Pferd zu einem umgestürzten Baum, um aufzusteigen. Sie stieß ein Gebet aus, damit ihr das Schicksal half, die Bibel zu finden und rechtzeitig zu ihrem Vater zu gelangen. Dann trieb sie das Pferd in Richtung Moncreiffe Castle.
An einem großen Felsen hielt Duncan sein Pferd an. Es gab keine Stelle seines Körpers, die nach dem nächtlichen Ritt nicht schmerzte. Dicke weiße Flocken wirbelten vor seinen Augen, während er die schneebedeckte Ebene absuchte, die er gemeinsam mit Isabel überquert hatte, nachdem sie Frasyers Geheimgang verlassen hatten.
Die Hufabdrücke eines einzelnen Pferdes fielen ihm ins Auge. Sie führten vom Wald weg, um dann, weiter draußen auf dem Feld, langsam unter dem Neuschnee zu verschwinden. Aber er wusste auch so, wohin sie führten. In der Ferne, unweit des Tunneleingangs, blitzte kurz etwas Braunes auf, fast verdeckt von dichtem Gestrüpp.
Das Pferd eines Wächters? Nay, das konnte er nicht glauben. Gestern Abend hatte er Isabels Spuren im Schnee entdeckt und war ihnen gefolgt, um überrascht festzustellen, dass sie zum Nachtlager von Frasyers Männern führten.
Von der Furcht getrieben, man habe sie gefasst, hatte er das
Lager umrundet, auf der Suche nach dem Ort, an dem man sie gefangen hielt. Auf halber Strecke um das Lager hatte er dann ihre Fußabdrücke wiedergefunden, die sich gemeinsam mit den Hufspuren eines Pferds vom Lager entfernten. Hatte sie also eines der Tiere der Wachen entwendet? Nicht nur das, offensichtlich hatte sie es ihnen
Weitere Kostenlose Bücher