Der schottische Verfuehrer
Boten.
Isabel presste sich gegen die Umfassungsmauer. Bitte, Gott, mach, dass sie mich nicht sehen!
Die Brüder gingen an ihr vorbei, konzentriert auf ihr Gespräch und welche Anweisungen sie dem Boten geben sollten.
Isabel sank gegen die eisige Mauer. Gott sei Dank. Doch dann hielt Duncan am Eingang des Stalls und schaute zum Turm hinauf, wo sie jetzt eigentlich schlafen sollte. Isabel spürte einen Stich im Herz. Was mochte ihm durch den Kopf gehen? War er verärgert oder enttäuscht? Bedauerte er ihr zärtliches Beisammensein? Der flackernde Fackelschein fiel auf seine sorgenvolle Stirn, dann drehte er sich fort, um sich seinen Brüdern anzuschließen, die bereits in entschlossenem Ton mit dem Boten sprachen.
Isabel richtete sich auf und überlegte ihren nächsten Schritt. Zufrieden sah sie, dass sich alle nur um den Boten kümmerten, und huschte zum Torhaus. Noch einmal blickte sie sich im Hof um, ehe sie sich in den dunklen Durchgang stahl.
Bei der Zugbrücke angekommen, blinzelte sie in die Finsternis rundum, irritiert vom wild tanzenden Schnee. Jenseits des vereisten Sees, der an beiden Seiten den Weg begrenzte, konnte sie nicht das schneebedeckte Feld entdecken, das in einiger Entfernung in den Wald überging. Sie sah kein Anzeichen von Seathans Männern - oder von Frasyers.
Als ob sie überhaupt irgendeine Gefahr erkennen könnte in der Nacht, noch dazu mit den Schneewolken, die den Mond verdeckten! Allerdings verbesserten diese Bedingungen auch ihre Chance, nicht entdeckt zu werden, falls man ihr Fehlen früher als gewollt bemerken sollte und nach ihr suchte.
Nach einem kurzen Gebet eilte sie fort von der Burg, dabei hielt sie sich am Wegesrand nahe dem Eis. Der Wind zerrte an ihren Kleidern, beißend drang er durch jeden noch so kleinen Spalt, während sie dem schmalen Weg folgte. An Land angekommen, drehte sie sich um, dann rannte sie über das Feld. Unter den ersten hohen Kiefern schaute sie ein letztes Mal zurück zu Lochshire Castle. Sie spürte eine gewisse Traurigkeit und wandte sich schwer schluckend um. Dann verschwand sie im Wald.
12. Kapitel
Der Wind heulte über den Baumspitzen, während Duncan sein Pferd einen steilen Abhang herunterlenkte.
Sobald er den Wald hinter sich ließ, würde er wieder dem beißenden Wind und dem peitschenden Schnee ausgesetzt sein, vor denen ihn jetzt die Bäume schützten.
Er hielt die Zügel in seinen behandschuhten Händen, die er nun näher an den Körper zog, sodass sie unter seinem Umhang verschwanden. Zum Glück war er bald am Ziel angekommen, vor ihm lagen nur noch ein Feld und der Weg, der durch den See zur Burg führte.
Als er unter einer kahlen Eiche hindurchritt, brachen einige Sonnenstrahlen durch die Äste, einen Hauch von Wärme verbreitend, wie er dankbar feststellte. In der Nacht würde die Kälte noch viel unbarmherziger sein. Zitternd dirigierte er das Pferd um eine große Tanne, bemüht, es nahe beim Stamm gehen zu lassen, wo der Wind den Schnee fortgeweht hatte.
Sein Körper schmerzte von dem anstrengenden Tagesritt. Entgegen der Warnungen seiner Brüder war er bei Sonnenaufgang mit ihnen aufgebrochen, um Wallace zu treffen. Jetzt befand er sich auf dem Rückweg, während Seathan und Alexander geblieben waren, um Einzelheiten einer geplanten Belagerung zu besprechen.
Der schwere Ritt hatte seinen Tribut verlangt, er spürte deutlich seine noch nicht verheilten Wunden, auch wenn er es nie zugegeben hätte. Trotz der strapaziösen Reise waren seine Gedanken immer wieder zu Isabel gewandert. Sogar eine gefährliche Situation, als er unterwegs gerade Frasyers Männern hatte ausweichen können, hatte in ihm nicht das Bild auslöschen können, wie sie nackt vor ihm im Turmgemach stand. Ihre braunen
Augen spiegelten ihre Reue wider, während ihr Körper vom Echo seiner Berührungen zu vibrieren schien.
Selbst jetzt, fast einen Tag nachdem sie sich beinahe einander hingegeben hätten, war Duncan ratlos ob ihres Entschlusses, zu Frasyer zurückzukehren. Isabels bedingungslose Hingabe, als er sie berührt, und die Leidenschaft, mit der sie seine Küsse erwidert hatte, zeigten nur zu deutlich, wie sehr sie ihn begehrte. Dennoch war sie entschlossen, wieder zu jenem Mann zu gehen, der sie in ein Verlies gesperrt hatte. Er verstand es nicht. Welche anderen Grausamkeiten hatte dieser Schuft ihr angetan, dass sie offensichtlich seinen Unmut so sehr fürchtete?
Bei jedem Atemzug bildete sich eine Dunstwolke vor seinem Mund, die der unnachgiebige
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