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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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erkennen.«
    »Männer. Was für Männer?«, fragte er ungehalten.
    Höchste Zeit, ihn von seinen romantischen Höhenflügen auf den Teppich zurückzuholen.
    »Justin Halavant zum Beispiel«, sagte sie.
    »Bisher war ich der Meinung, über junge Frauen herzufallen wäre alles andere als irrational bei seiner Einstellung zum Leben«, sagte der Pfarrer verächtlich.
    »Champagner, Seidenbettwäsche und ausgestreute Rosenblätter sind eher nach seinem Geschmack als eine schnelle Nummer in einem zugigen Treppenhaus und ein Zimmer voller Leute nebenan, deren gute Meinung ihm nicht gleichgültig ist«, sagte Kee.
    Diese unerwartete Inschutznahme kam überraschend für ihn, und zum ersten Mal, seit er die Geschichte von Halavants Zurückweisung gehört hatte, fühlte Lillingstone einen Hauch von Sympathie für diesen Mann.
    Er wischte den Gedanken beiseite und sagte schleppend: »Ich liebe sie.«
    »Oh, Liebe«, sagte sie mit einem schwachen Lächeln, »was die Liebe nicht alles mit uns macht … Aus irgendeinem Grund hast du ihr deine Leidenschaft (was für ein hübsches Wort, so präzise wie euphemistisch) nicht gestanden, vielleicht weil du durchaus begründete Zweifel hegst, ob Caddy halbwegs zur klerikalen Gefährtin taugt, vielleicht auch, weil du schon eine verrückte erste Frau auf deinem Dachboden eingesperrt hast.«
    Sie blickte in gespieltem Argwohn zur Decke und in gespielter Überraschung wieder auf Lillingstone herab, als genau im passenden Moment eine Bodendiele knarrte.
    »Ich liebe es, wie alte Häuser sich ins Gespräch einmischen«, sagte sie, um dem Ganzen eine leichtere Note zu verleihen.
    »Wir reden von deiner Schwester«, sagte er unbeeindruckt.
    »Allerdings.« Zeit für den Sprung ins kalte Wasser. »Larry, tröste dich, falls das denn überhaupt möglich ist, damit, dass du recht hast, wenn du denkst, dass Caddy sich als Frau für einen Pfarrer wenig eignet. Ebensowenig wie für die meisten anderen Männer. Ebensowenig übrigens wie als Mätresse im selben Haus oder auch nicht im selben Haus, falls deine Gedanken in diese Richtung irren.«
    »Du bist sehr direkt«, sagte er kalt. »Angst, eine Schwester zu verlieren oder auch eine Einnahmequelle?«
    »Ach du je, es ist schlimm genug, um beleidigend zu werden, ja?«, sagte Kee. »Ich wünschte, es stünde in meiner Macht, dich zu trösten. Das einzige, was ich dir geben kann, ist der ach so kalte Rat, dir Mühe zu geben und sie zu vergessen. Tut mir leid.«
    »Mir Mühe geben?«, schrie er und warf sich in eine melodramatische Pose, um die wahre Tiefe seiner Gefühle zu verbergen. »Wer selber keinen Kummer leidet, hat leicht reden! Aber wie ich dir schon sagte, werde ich mir wahrscheinlich schon sehr bald Mühe geben, Enscombe zu verlassen. Ich hoffe, dann bist du zufrieden.«
    »Nein, ich bin nicht hergekommen, um auf diese Weise zufriedengestellt zu werden«, sagte sie und stand auf. »Und um die Wahrheit zu sagen, ich bin auch nicht besonders scharf darauf, mir dein Gesülze über deine Gefühle zu meiner Schwester anzuhören. Danke für den Kaffee, der übrigens kalt war.«
    »Oh, Scheiße«, sagte Lillingstone. »Kee, es tut mir leid. Ich bin ein aufgeblasener Idiot, stimmt’s? Und das mit der Einnahmequelle war unverzeihlich. Wir wissen schließlich alle, wie sehr Caddy den nötigen Freiraum für ihre Arbeit dir zu verdanken hat. Es tut mir leid. Kannst du mir noch mal verzeihen?«
    »Verzeihen ist leicht. Schwieriger ist es manchmal zu verstehen«, entgegnete sie. »Du sagst, der Mensch denkt, und Gott lenkt. Also gut, wenn du denkst, es könnte was draus werden, warum machst du ihr nicht einen Antrag – sie zu heiraten, was immer du willst! Auf diese Weise bringst du deine Qualen hinter dich, und ich komme nicht wieder in die Verlegenheit, meine Schwester wie ein Monster hinzustellen.«
    Er schüttelte den Kopf und sagte hilflos: »Ich wünschte, das wäre so leicht.«
    »Ich kann mir nicht denken, was noch leichter sein könnte, es sei denn, du machtest es per Fax«, sagte sie.
    »Das Problem ist, ich kann es überhaupt nicht tun«, sagte er. »Die Sache ist nämlich die, dass ich ein Keuschheitsgelübde abgelegt habe.«
    Er sprach mit trotzigem Stolz, war er sich doch bewusst, dass ein Pakt mit der Gottheit zwar gewiss ein Minimum an ehrfürchtigem Respekt verdiente, zugleich aber auch unausweichlich einen Hauch von Absurdität an sich hatte.
    Kee wirkte weder von Ehrfurcht ergriffen noch amüsiert, sondern einfach nur

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