Der Schrei des Eisvogels
verdutzt.
»Gütiger Himmel«, sagte sie. »Soll das heißen, du bist ein verkappter Katholik oder so?«
»Nein«, sagte er. »Nur ein Anglikaner, der sich vielleicht ein bisschen übernommen hat.«
»Wenn das so ist, kannst du da doch wieder raus? Man liest doch andauernd von Priestern in der Zeitung, die wegen einer lieben Frau den Papst sitzenlassen.«
»Wahrscheinlich ist es leichter, wenn man gegen ein ganzes System antritt«, sagte Lillingstone mürrisch.
»Ah, verstehe. In deinem Fall bist du mit deinem eigenen Gewissen konfrontiert, und das hat natürlich viel mehr Gewicht als die Kleinigkeit der heiligen katholischen Kirche!«
»Jetzt warte mal«, sagte er verärgert. »Wir reden hier von meinem Glauben …«
»Das glaube ich nicht. Ich glaube, wir reden von deinem Ego«, sagte Kee, ebenfalls wütend. »Fühlst dich gut damit, ja? Vollkommener als wir übrigen, ja? Aber du kommst nicht dagegen an, geil zu sein, also meinst du, wenn du schon Caddy nicht haben kannst, solltest du dir zum Trost wenigstens ein paar Herz-Schmerz-Gespräche mit mir gönnen. Stellvertretersex, wie passend für einen Mann Gottes! Aber da spiele ich nicht mit, Larry. Was du brauchst, ist ein anderer Kerl im Röckchen, und zwar hinter einem Sprechgitter.«
Sie ging zur Terrassentür. Er folgte ihr und sagte: »Bitte, Kee, geh nicht so. Ich weiß nicht weiter, ich muss mit jemandem reden …«
»Dann rede mit deinem Boss da oben!«, rief Kee und wies ironisch zur Decke.
Und zum zweiten Mal kam im gleichen Moment ein Geräusch.
Doch diesmal war es keine knarrende Diele. Ein deutlicher Schlag, als ob etwas zu Boden gefallen und zersprungen wäre, und eine Stimme, der ein ärgerliches »Mist, ich …« entfuhr, das hastig abbrach.
»Da oben ist jemand«, sagte Kee. »Du quatschst von Gelübden und Zölibat, dabei hast du die ganze Zeit jemanden in deinem Schlafzimmer versteckt!«
»Nein, ehrlich, es ist nicht … es ist niemand …«
»Niemand? Das werden wir ja sehen.«
Und bevor er sie daran hindern konnte, fegte sie an ihm vorbei aus dem Zimmer und die Treppe hinauf.
Er folgte ihr unter Protest, doch es war aussichtslos, sie einzuholen. Als er die letzte Stufe erreicht hatte, stieß sie die Schlafzimmertür auf. Und erstarrte vor Schreck.
Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, sie wusste nur, dass dies hier ihre kühnsten Erwartungen übertraf.
Sieben
»Nun, früher oder später wird alles ans Licht kommen: deine Missetaten & deine Qualen, wie oft du schon an dem Punkt warst, dich aufzuhängen – was du nur deshalb nicht getan hast … weil kein Baum in Sicht war.«
G enau genommen war es nur mein Eigentum, das ich gestohlen habe.«
»Ach ja? Inwiefern gehört Ihnen wohl Mrs. Hogbins Kräuterpastete oder Mrs. Staceys Jacke?«, fragte Wield.
»Die wollte ich nicht behalten«, beteuerte der Buchhändler. »Ich hätte sie in der Hauptpost in der Stadt wieder aufgegeben.«
»Das könnte Ihnen sechs Monate ersparen«, sagte Wield trocken. »Also, was hat Sie dazu gebracht, zu stehlen, was Ihnen schon gehörte?«
»Es war ein alberner Impuls«, sagte Digweed. »Ich merkte, dass ich in eines meiner Pakete ein falsches Buch gepackt hatte. Ich hätte es mir natürlich heute morgen vom Postamt zurückholen können, aber gestern nacht auf dem Nachhauseweg, meine Urteilskraft vom Alkohol getrübt – Sie werden sich erinnern, dass wir eine ganze Menge getrunken haben, Sergeant –, kam mir die Idee, das Paket auf der Stelle zu holen. Ich glaube, ich habe mich von Tokes Einbruch bei mir im Laden inspirieren lassen. Ich war wohl – traumatisiert, heißt das im Jargon, nicht wahr? Ich bedaure meine Tat zutiefst und werde volle Rückerstattung und Entschädigung leisten.«
»Schwachsinn«, sagte Wield.
»Ich bitte um Verzeihung?«
»Schon besser«, sagte Wield. »Versuchen Sie mal, den anderen Haufen Schwachsinn dem Gericht zu verkaufen, und Sie kriegen fünf Jahre. Gehen wir die Sache langsam durch. Sie haben es nicht auf dem Nachhauseweg gemacht, sondern in den frühen Morgenstunden. Sie waren nicht von Tokes Einbruch traumatisiert, sondern haben ihm nur die Idee abgekupfert, wie Sie es am besten anstellen. Sie haben Wylmot nicht gebeten, Ihnen das Paket zurückzugeben, weil Sie wussten, dass er ein kleinlicher Pedant ist, der kaum die Vorschriften verletzen und Ihnen Post aushändigen würde, die einmal aufgegeben war. Und wenn er Ihnen die Bitte erst mal abgeschlagen hätte, wären Sie natürlich
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