Der Schrei des Eisvogels
adressiertes Päckchen, das wohl Mrs. Staceys Strickjacke enthielt, und zwei festere Pakete, in denen eindeutig Bücher steckten. Und ein halbes Dutzend Briefe.
Warum wohl war Digweed zum Einbrecher geworden, um seine eigenen Bücher zurückzuholen? Da sprang ihm einer der Namen auf den Bücherpäckchen ins Auge.
Ms. Eleonor Pascoe.
Die Päckchen in der Hand, drehte er sich um.
»Ich glaube, ich seh mal besser nach, ob ich noch etwas Bourbon finden kann«, sagte Edwin Digweed.
Sechs
»Ich erzähle dir alles, und wie viele ungeahnte Geheimnisse verbirgst du wohl vor mir?«
L arry Lillingstone saß vor einem Haufen staubiger Dokumente, doch sein geistiges Auge war auf die Annalen seiner eigenen Amtszeit als Pastor gerichtet, und das Ergebnis war alles andere als berauschend.
»Larry, irgendwann werde ich dich dabei ertappen, wie du etwas fürchterlich Peinliches tust«, sagte Kee von der geöffneten Terrassentür aus.
»Kee, tut mir leid. Ich war ganz weit weg.«
»Metaphysisch, nehme ich an?«
»Physisch vermutlich auch bald. Ich glaube, es dauert nicht mehr lange, bis Enscombe und ich uns Lebewohl sagen.«
»Du liebe Zeit. Ich glaube, ich setz mich mal lieber.«
Sie trat mit ihrer natürlichen Anmut näher, ließ sich in einen Stuhl gleiten und sah ihn erwartungsvoll an.
»Ich habe den Bischof für nächste Woche um einen Termin gebeten«, sagte er. »Ich glaube, es wird Zeit für mich, woanders hinzugehen.«
»Aber du bist doch erst vor zwei Minuten hergekommen.«
»Ich nehme an, in Enscomber Zeitrechnung sind sechs Monate wirklich nicht viel mehr«, sagte er. »Aber der Mensch denkt, und Gott lenkt. Kee, ich wollte mir gerade einen Kaffee machen. Ich mach dir einen mit.«
»Nein, wirklich, ich würde lieber …« Doch Lillingstone war schon aus dem Zimmer. Sie hörte seine Schritte auf dem Steinfußboden des Flurs, der zur Küche führte, und dann wieder die Treppe hinauf. Vielleicht musste er in Wirklichkeit nur aufs Klo, und irgendeine klerikale Scham hinderte ihn daran, es zu sagen. Sie wartete vergeblich auf das ferne Geräusch der Wasserspülung, als die Schritte wieder hinabstiegen wie ein
Goon Show-
Soundeffekt, sich noch einmal in die Küche entfernten und mit einem Crescendo ins Arbeitszimmer zurückkamen.
»Kaffee«, sagte er und reichte ihr eine Tasse. »Gibt es einen besonderen Grund, weshalb du mich aufsuchst?«
»Nein, ich komme nur, um dir das hier wiederzubringen«, sagte sie und legte die Schenkungsurkunde auf den Tisch. »Aber wo ich schon mal hier bin … was du gestern abend auf der Versammlung gesagt hast, dass sich vielleicht etwas ergeben könnte, das die Schule rettet, das hatte nicht zufällig etwas mit dem Pfarrhaus zu tun, oder?«
»Was meinst du?«, fragte er beinahe ärgerlich.
»Nur dass wir, wenn das Pfarrhaus zum Verkauf stünde …«
»Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ihr aus den Kirchenbeauftragten auch nur einen Penny herausquetschen könnt?«, spottete er. »Die haben auch immer die Kostenbuchhalter im Schlepptau.«
»Nein, das meinte ich nicht, ich wollte was ganz anderes fragen. Aber das hat Zeit. Wie offenbar auch dein Hoffnungsschimmer.«
Sie wollte aufstehen, und er sagte abrupt: »Es ist wegen Caddy.«
»Ich verstehe nicht. Meinst du, Caddy wird die Schule retten, oder Caddy ist der Grund, warum du gehen willst?«
Er gab ein etwas wirres Lachen von sich und sagte: »Beides vielleicht. Oder keins von beidem.«
Sie betrachtete ihn irritiert und noch mehr sich selbst. Sie wollte nicht über seine Gefühle zu Caddy reden, hatte seinen früheren Versuch, das Thema anzuschneiden, absichtlich unterlaufen. Wenn er sich selbst überlassen bliebe, würde er vermutlich einen Vorstoß bei Caddy wagen und an jener Gleichgültigkeit abblitzen, die verletzender war als Abneigung, sie würde ihm das Herz brechen, und er würde sich davon erholen. Aber der Idiot wollte ein Publikum! Kee war der festen Überzeugung, dass es kein größeres Hindernis für Intimität zwischen zwei Menschen gab als ein Geheimnis, das man teilte. Und sie wollte mit diesem Mann intim sein. Oben, unten, drinnen, draußen, in guten wie in schlechten Zeiten, intim!
Sie hätte jetzt besser gehen sollen.
»Kee«, sagte er, »ich muss mit dir über Caddy reden …«
Sie sah ihn mit weit offenen, aufrichtigen Augen an und sagte: »Nicht nötig, Larry. Ich habe genügend Männer gesehen, die Caddy zu irrationalem Verhalten getrieben hat, um die Symptome zu
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