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Der Schrei des Löwen

Der Schrei des Löwen

Titel: Der Schrei des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ortwin Ramadan
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Wetter schlecht. Er befürchtet einen Sturm. Deshalb will er nicht auslaufen.«
    »Und was sagt Ali dazu?«, erkundigte sich Sunday ängstlich.
    »Der will die Sache durchziehen.« Der Unbekannte lauschte kurz, dann fuhr er mit seiner Übersetzung fort. »Ali behauptet, die Wettervorhersage sei okay. Er will uns auf keinen Fall das Geld zurückgeben müssen. Deshalb droht er dem Kapitän damit, seine Geschäfte mit jemand anderem zu machen. Wartet!« Der Mann lauschte erneut. »Jetzt nennt Ali den Kapitän einen ägyptischen Feigling. Seine Mutter sei eine Eselin und sein Vater ein ängstliches Kamel.«
    »Der Kapitän ist Ägypter?« Yoba war verwundert. Er dachte, das Land mit den Pyramiden läge weit entfernt von ihnen.
    »Die meisten Kapitäne auf den illegalen Booten sind Ägypter«, erklärte der Fremde. »Die kennen sich am besten mit den Sternen aus.«
    »Ja, davon habe ich schon gehört!«, meldete sich Sunday zu Wort. »Außerdem sollen sie einen guten Draht zu den Wassergeistern haben!«
    Zu den Wassergeistern vielleicht, dachte Yoba, aber nicht zu den libyschen Schleusern, denn der Kapitän lupfte seine Dschallaba und watete wütend zurück zu seinem Boot.
    Endlich begann das Einsteigen. Die Leute nahmen ihr weniges Gepäck und bildeten, wie schon so oft auf ihrer Reise, eine Schlange. Ali ließ sich von jedem Einzelnen das Ticket vorzeigen, das sie zuvor bei ihm gekauft hatten. Es handelte sich um einen Fetzen Papier mit einem Micky-Maus-Stempel und seinem persönlichen Geheimzeichen. Anschließend leuchtete er den verängstigten Leuten mit der Taschenlampe ins Gesicht. Erst dann durfte man einsteigen. Babatunde, Maurice und Sunday überstanden die Kontrolle problemlos. Sie waren schon fast an Bord des Fischerbootes, als Yoba und Chioke an der Reihe waren.
    »Wo ist euer Ticket?«, schnauzte Ali sie an. Dabei leuchtete er Yoba mit der Taschenlampe ins Gesicht.
    »Wir … wir haben keins«, stammelte Yoba. Das Licht blendete ihn. »Wir kommen für jemand anderen.«
    »Willst du mich auf den Arm nehmen?« Ali winkte den Fahrer des Pick-ups herbei, der ihm bei der Kontrolle zur Hand ging und offenbar gleichzeitig als sein Bodyguard fungierte. »Schaff die Jungen hier weg! Wir haben nicht ewig Zeit!«
    »Halt! Warten Sie!«, rief Yoba, als ihn der stämmige Typ packte. »Kutu kommt nicht, weil sie ihn verhaftet haben. Mein Bruder und ich sind nicht groß, wir teilen uns seinen Platz. Bitte! Er ist ja schon bezahlt!«
    »Ja, aber nicht von euch!« Ali gab seinem Leibwächter ein Zeichen. »Bring sie weg. Sie halten alles auf!«
    Plötzlich ertönte zwischen den Dünen eine Hupe. Dann blinkte in der Ferne eine Taschenlampe. Sie blitzte dreimal auf und versetzte Ali und seinen Leibwächter mit einem Mal in höchste Alarmbereitschaft. Sie brachen die ganze Aktion sofort ab und liefen zu ihrem Jeep. Dann jagten sie mit aufheulendem Motor davon. Kurz darauf tauchten neue Scheinwerferpaare zwischen den Dünen auf.
    »Sieht ganz so aus, als habe da jemand nicht die richtigen Leute geschmiert«, meinte eine Stimme hinter Yoba. »Sonst müsste er jetzt nicht wie ein verschrecktes Huhn davonrennen.«
    Yoba war das völlig egal. Er brauchte genau zwei Wimpernschläge, um die Situation zu erfassen. Sofort zerrte er Chioke in die Brandung, dann wateten sie hinüber zu dem Boot, auf dem der ägyptische Kapitän bereits hastig versuchte den Motor zu starten. Babatunde, Sunday und Maurice kamen hinterher. Sie kletterten über die niedrige Reling und hievten Chioke gemeinsam an Bord, bevor der Dieselmotor mit einem Stottern ansprang. Als der Strand kurz darauf von den Scheinwerfern mehrerer Polizei-Jeeps in gleißendes Licht getaucht wurde, kauerten sie bereits an Deck des Fischerbootes.
    Unter den am Strand Zurückgebliebenen brach währenddessen Panik aus. Viele wollten sich dem Zugriff der libyschen Polizei entziehen, indem sie sich ins Wasser stürzten und verzweifelt versuchten das Boot zu erreichen. Aber der Kapitän hatte nicht vor seine eigene Haut aufs Spiel zu setzen. Sobald der Motor angesprungen war, nahm er Kurs auf das offene Meer. Yoba half dabei, all diejenigen an Bord zu ziehen, die es noch rechtzeitig bis zu dem abdrehenden Boot schafften. Es waren nicht wenige, aber für mindestens ein Dutzend Leute war es bereits zu spät. Sie blieben im flachen Wasser zurück und schrien ihnen hinterher. Ein junger Mann versuchte dem Boot hinterherzuschwimmen, wobei er in die Schiffsschraube geriet und sich schwer

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