Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Little
Vom Netzwerk:
sieht,
    dass ich Seiten herausgerissen habe
    für meine geheimen Geschichten,
    lacht er mir ins Gesicht.
    »Wofür habt Ihr nur diesen
    armen Schatz gebraucht?
    Zum Bogenschießenüben?«
    Ich biete an, mich mit der Hälfte
    dessen zu begnügen, was ich bezahlt habe.
    »Ich bin verzweifelt«, flehe ich ihn an.
    »Wer nicht, in diesen Zeiten? Schaut, mein Freund.
    Die Wahrheit ist, sowie Ihr das Buch gekauft hattet,
    habe ich Euer schönes Pferd verkauft.
    Und habe dadurch an einem Tag mehr verdient
    als vorher im ganzen Jahr. Begreift Ihr?
    Niemand kauft noch Bücher.
    Und schon gar nicht in arabischer Sprache.
    Und jetzt – Gott und Allah sei mit Euch.
    Bitte verschwindet.«
      
    Tinte
    Ich stelle meine Arbeit an den Geschichten nicht ein,
    aber ich muss gestehen, es ist mir kein Herzensanliegen mehr.
    Die eng geschriebenen kleinen Buchstaben scheinen mir durch
    die Finger zu kriechen und dann scharfe Krallen in mich zu schlagen.
    Am Ende des Tages kann ich kaum noch die Nadel halten,
    um sie einzunähen.
    Ich bitte die heilige Katharina um Hilfe.
    Sie ist die Patronin der Schreiber,
    allerdings habe ich diese Wahl immer für seltsam gehalten.
    Als der byzantinische Kaiser ihr den Kopf abschlagen ließ,
    strömte ihr Blut, weiß wie Kuhmilch, heraus.
    Ich denke, wenn man mich köpfen würde,
    flösse ein Strom von Tinte heraus.
    Am Abend habe ich noch so viel davon an den Fingern,
    dass meine Bettwäsche schwarze Flecken hat, wenn ich aufwache.
    Wie ein umgekehrter Sternenhimmel.
    Dennoch bete ich.
    Zu ihr und zu jedem anderen dort oben,
    der mich erhören könnte.
    Was kann ich denn sonst noch tun in diesem Leben?
      
    Zittern
    Am Ende eines Arbeitstages
    schaue ich mir die Berge kostbarer Gegenstände vor mir an.
    Dann blicke ich auf den Wächter. Schläft. Wie immer.
    Normalerweise muss ich
    ihn wecken.
    Da ist eine Halskette –
    einer Señora Aldez abgenommen.
    Die Geschichte, die sie erzählt hat,
    war ziemlich langweilig.
    Aber das Schmuckstück selbst –
    Es liegt da
    und flüstert.
    Es könnte,
    da bin ich mir sicher,
    Amir zurückkaufen.
    Meine Hand zittert:
    nicht nur von meiner Arbeit
    mit den Wörtern.
    Ich nehme es.
      
    Wutanfall
    Vielleicht steckt in den Ammenmärchen über Wölfe
    ein Körnchen Wahrheit. Angeblich riechen sie Angst.
    Sobald mich der Kapitän
    am Kai sieht, fängt er an zu brüllen.
    Schert Euch zum Teufel!
    Ihr fehlt mir gerade noch!
    Aber …
    Kein Aber!
    Wenn ich noch einmal
    den Fuß auf sein Schiff setze,
    selbst vor sein Schiff,
    bringt er mich um.
    Ich glaube ihm.
    Ich bin so durcheinander,
    dass ich eine Dummheit mache.
    Ich werfe die Halskette
    ins Meer.
    Ich habe die Liste von heute
    bereits abgegeben.
    Jemand wird sie in Kürze lesen
    und fragen, wo der Schmuck
    von Señora Aldez geblieben ist.
      
    Proklamation
    Wir dürfen unseren Platz verlassen,
    um zu hören, was der Herold verkündet.
    Ein Mönch hüpft geradezu vor Vergnügen.
    »Raus mit euch, Jungs!
    Man wird nicht jeden Tag Zeuge
    historischer Ereignisse.«
    Ich habe mir angewöhnt,
    Geschichten auf wenige Linien
    zu verknappen.
    Dasselbe mache ich jetzt.
    Bis zum 31. Juli – das sind jetzt noch sechs Monate –
    müssen alle noch in Spanien verbliebenen Juden das Land verlassen.
    Es geht das Gerücht, dass Don Abravanel, der reichste Jude
    in ganz Spanien, die Königin beinahe von ihrem Entschluss
    abgebracht hätte.
    Wenn sie die Juden bleiben ließe, versprach Don Abravanel,
    würde er genug Geld zusammenbringen, um fünf Kriege zu finanzieren.
    Jeder Maravedi würde an die Krone gehen.
    In diesem Moment stürzte der Inquisitor Torquemada
    in den Raum. Er warf der Königin drei Silbermünzen
    vor die Füße. »So hat auch Judas
    Christus für ein paar Münzen verkauft«, zischte er.
    Torquemada kennt das Herz der Königin gut.
    Sein kleines Schauspiel klappte wie der Trick
    eines Zauberers.
    »Unser Entschluss steht fest«, hörte man sie sagen.
    »Innerhalb von sechs Monaten müssen alle Juden gehen.«
      
    Idee
    Im Hafen drängen sich so viele Schiffe,
    dass ich fast aus den Augen verliere, welches das von Amir ist.
    Juden aus ganz Spanien strömen nach Málaga.
    Sie gehen direkt auf die Schiffe.
    Der Platz ist knapp; ihre Chance, ein Fleckchen an Bord zu ergattern,
    ist allzu leicht dahin.
    Und auf dem Landweg ist die Reise viel gefährlicher.
    Dort lauern Banditen, sie schlitzen den Leuten den Bauch auf.
    Jeder weiß doch, so meinen alle,
    dass Juden Gold verschlucken!
    Es wurmt mich, wenn ich

Weitere Kostenlose Bücher