Der Schreiber von Córdoba
sieht,
dass ich Seiten herausgerissen habe
für meine geheimen Geschichten,
lacht er mir ins Gesicht.
»Wofür habt Ihr nur diesen
armen Schatz gebraucht?
Zum Bogenschießenüben?«
Ich biete an, mich mit der Hälfte
dessen zu begnügen, was ich bezahlt habe.
»Ich bin verzweifelt«, flehe ich ihn an.
»Wer nicht, in diesen Zeiten? Schaut, mein Freund.
Die Wahrheit ist, sowie Ihr das Buch gekauft hattet,
habe ich Euer schönes Pferd verkauft.
Und habe dadurch an einem Tag mehr verdient
als vorher im ganzen Jahr. Begreift Ihr?
Niemand kauft noch Bücher.
Und schon gar nicht in arabischer Sprache.
Und jetzt – Gott und Allah sei mit Euch.
Bitte verschwindet.«
Tinte
Ich stelle meine Arbeit an den Geschichten nicht ein,
aber ich muss gestehen, es ist mir kein Herzensanliegen mehr.
Die eng geschriebenen kleinen Buchstaben scheinen mir durch
die Finger zu kriechen und dann scharfe Krallen in mich zu schlagen.
Am Ende des Tages kann ich kaum noch die Nadel halten,
um sie einzunähen.
Ich bitte die heilige Katharina um Hilfe.
Sie ist die Patronin der Schreiber,
allerdings habe ich diese Wahl immer für seltsam gehalten.
Als der byzantinische Kaiser ihr den Kopf abschlagen ließ,
strömte ihr Blut, weiß wie Kuhmilch, heraus.
Ich denke, wenn man mich köpfen würde,
flösse ein Strom von Tinte heraus.
Am Abend habe ich noch so viel davon an den Fingern,
dass meine Bettwäsche schwarze Flecken hat, wenn ich aufwache.
Wie ein umgekehrter Sternenhimmel.
Dennoch bete ich.
Zu ihr und zu jedem anderen dort oben,
der mich erhören könnte.
Was kann ich denn sonst noch tun in diesem Leben?
Zittern
Am Ende eines Arbeitstages
schaue ich mir die Berge kostbarer Gegenstände vor mir an.
Dann blicke ich auf den Wächter. Schläft. Wie immer.
Normalerweise muss ich
ihn wecken.
Da ist eine Halskette –
einer Señora Aldez abgenommen.
Die Geschichte, die sie erzählt hat,
war ziemlich langweilig.
Aber das Schmuckstück selbst –
Es liegt da
und flüstert.
Es könnte,
da bin ich mir sicher,
Amir zurückkaufen.
Meine Hand zittert:
nicht nur von meiner Arbeit
mit den Wörtern.
Ich nehme es.
Wutanfall
Vielleicht steckt in den Ammenmärchen über Wölfe
ein Körnchen Wahrheit. Angeblich riechen sie Angst.
Sobald mich der Kapitän
am Kai sieht, fängt er an zu brüllen.
Schert Euch zum Teufel!
Ihr fehlt mir gerade noch!
Aber …
Kein Aber!
Wenn ich noch einmal
den Fuß auf sein Schiff setze,
selbst vor sein Schiff,
bringt er mich um.
Ich glaube ihm.
Ich bin so durcheinander,
dass ich eine Dummheit mache.
Ich werfe die Halskette
ins Meer.
Ich habe die Liste von heute
bereits abgegeben.
Jemand wird sie in Kürze lesen
und fragen, wo der Schmuck
von Señora Aldez geblieben ist.
Proklamation
Wir dürfen unseren Platz verlassen,
um zu hören, was der Herold verkündet.
Ein Mönch hüpft geradezu vor Vergnügen.
»Raus mit euch, Jungs!
Man wird nicht jeden Tag Zeuge
historischer Ereignisse.«
Ich habe mir angewöhnt,
Geschichten auf wenige Linien
zu verknappen.
Dasselbe mache ich jetzt.
Bis zum 31. Juli – das sind jetzt noch sechs Monate –
müssen alle noch in Spanien verbliebenen Juden das Land verlassen.
Es geht das Gerücht, dass Don Abravanel, der reichste Jude
in ganz Spanien, die Königin beinahe von ihrem Entschluss
abgebracht hätte.
Wenn sie die Juden bleiben ließe, versprach Don Abravanel,
würde er genug Geld zusammenbringen, um fünf Kriege zu finanzieren.
Jeder Maravedi würde an die Krone gehen.
In diesem Moment stürzte der Inquisitor Torquemada
in den Raum. Er warf der Königin drei Silbermünzen
vor die Füße. »So hat auch Judas
Christus für ein paar Münzen verkauft«, zischte er.
Torquemada kennt das Herz der Königin gut.
Sein kleines Schauspiel klappte wie der Trick
eines Zauberers.
»Unser Entschluss steht fest«, hörte man sie sagen.
»Innerhalb von sechs Monaten müssen alle Juden gehen.«
Idee
Im Hafen drängen sich so viele Schiffe,
dass ich fast aus den Augen verliere, welches das von Amir ist.
Juden aus ganz Spanien strömen nach Málaga.
Sie gehen direkt auf die Schiffe.
Der Platz ist knapp; ihre Chance, ein Fleckchen an Bord zu ergattern,
ist allzu leicht dahin.
Und auf dem Landweg ist die Reise viel gefährlicher.
Dort lauern Banditen, sie schlitzen den Leuten den Bauch auf.
Jeder weiß doch, so meinen alle,
dass Juden Gold verschlucken!
Es wurmt mich, wenn ich
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