Der Schreiber von Córdoba
viel.)
Papa würde das gefallen, glaube ich:
Kleine Geschichten statt Angeberei.
Hoffnung
Vor der Ausgangssperre bin ich unten bei den Docks.
Dass ich Hafis gefunden habe, war ein Zeichen.
Amir muss hier gewesen sein.
Ich werde auch ihn finden.
Ich habe mich erkundigt.
Die meisten Mauren, die hier lebten oder durchkamen,
wurden als Sklaven auf die Schiffe gebracht.
Mein Herz sagt, es gebe Hoffnung.
Hafis, gibt es Hoffnung?
Wir wollen uns nicht von der Vernunft abhalten lassen:
Dieser Richter ist hier nicht zuständig.
Das gibt meinem Hirn einige Nüsse zu knacken.
Aber ich glaube, es bedeutet: Jawohl.
Nähen
Ich treibe Nadel und Faden auf –
wieder zwei Waffen, mit denen ich nicht umzugehen weiß.
Ich bin entschlossen, Hafis wieder in Ordnung zu bringen.
Ich habe mir diesen Moment so oft ausgemalt:
Wie ich Amir finde. Und ihn rette.
Und ihm dann noch, als Sahnehäubchen,
Hafis hinlege. Aber dass mir das Buch
unter den Händen zerfällt – oder ihm –,
gehört nicht zu dieser Fantasie.
Señora Brabiste, die Dame, bei der ich wohne,
sieht, wie ich mich abmühe, die dünne Nadelspitze
durch den ledernen Einband zu schieben.
Er ist plötzlich so hart wie ein Ziegelstein.
Sie erbarmt sich.
»Kommt, lasst mich mal«, sagt sie sanft.
Ihre Finger sind gewandt; sie scheint jeden Augenblick jünger zu werden,
während sie arbeitet.
Aber bald runzelt sie die Stirn.
»Die Seiten sind stark«, sagt sie,
»aber dieser Einband hat zu viel mitgemacht.
Ich nähe ihn für den Moment nach, aber Ihr müsst ihn
bald durch einen neuen ersetzen.«
Bekannt
Die Kapitäne der Schiffe kennen mich
allmählich vom Sehen.
Sie machen finstere Gesichter, wenn ich mich nähere.
»Geht weg!«, verlangen sie.
»Wie oft habe ich es Euch schon gesagt?
Hier ist niemand, auf den diese Beschreibung passt.«
Ich habe ihnen gesagt, mein Name sei Señor Ortiz
und ich suche einen Sklaven, der von Rechts wegen mir gehöre.
(Bei diesen Gängen trage ich den Umhang des Offiziums falsch herum.)
Er sei mir von Banditen gestohlen worden, erkläre ich.
Und ich brauche genau ihn für meine Arbeit.
Ob ihn jemand gesehen habe? Er hat ein S auf der Wange –
auf der linken, glaube ich. Und er spricht
sowohl Spanisch als auch Arabisch.
Ich gehe nicht so weit, ihnen zu sagen, er könne schreiben.
Das Beste ist, seinen Wert nicht noch zu steigern
in ihren gierigen Augen.
Optische Täuschung
Es geht das Gerücht, das Offizium
sehe sich jetzt Bücher genauer an.
Jüdischer Inhalt ist nicht mehr das Einzige,
was sie auf die Liste bringt.
Da sind Protestantismus, Messianismus, Okkultismus
und überhaupt viel mehr Ismen, als ich je
in der Welt für möglich gehalten hätte.
Die Zeit für Hafis ist offenkundig vorbei.
Er ist Muslim, ja, aber es kommt noch etwas hinzu.
Manche Leute glauben, ein Buch zu benutzen,
um die Zukunft zu erraten – selbst wenn es nur ein Spiel ist –,
sei Teufelszeug.
Eine Idee spukt mir
im Kopf herum.
Vor zwei Nächten
habe ich von Papas Buch geträumt –
die Lebensgeschichte meines Vorfahren.
Die meinetwegen verloren ging.
Aber im Traum
war Papas Buch noch da.
Es schwebte zwischen
den Linien auf der Seite
wie durch eine optische Täuschung,
als ich Hafis öffnete.
Nähen (2)
Dann blickte ich gestern zufällig
beim Schreiben auf.
Der Gefangene dort steckte irgendeinen Schatz
in den Saum seiner Tunika.
Er wurde bleich, als er sah,
dass ich zusah. Unsere Blicke trafen sich.
Ich sagte nichts.
Aber das legte ein Samenkorn
in meinen Kopf.
Beruhigung
Ich suche nach etwas, das mich beruhigt,
sage ich ihr.
Also, es gibt Kräuter –
Nein, ich meine etwas für meine Hände,
am Abend. Außer Schreiben, ergänze ich.
Sie schaut auf meine Finger,
ganz mit Tinte befleckt, und nickt.
Ich spreche weiter.
Verzeiht mir meine Unhöflichkeit, aber etwas hat mich beeindruckt
an jenem Tag, da Ihr mein Buch in Ordnung gebracht habt.
Der Friede in Eurem Gesicht ist bei mir hängen geblieben.
Señora, glaubt Ihr,
ich könnte nähen lernen?
Raum
Papier ist Mangelware – das hat sich nicht geändert.
Das Offizium registriert jeden Bogen,
den es uns gibt.
Aber die Gedichte von Hafis
sind ziemlich kurz.
Jede Seite in seinem Buch
hat mehr leeren Raum
als geschriebene Wörter.
Wie ein Arzt, der eine Wunde wieder auftrennt,
löse ich die Fäden.
Diese Räume werde ich nutzen,
um wenigstens einen Teil
des Lebens meiner
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