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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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selber, seinem stets bereiten Argwohn, Verdacht, seiner Unsicherheit vor einem sonderbar ungreifbaren Wesen in Susanna; und die Worte des Müllers hatten genügt, um das alles in ihm wieder aufzuregen; nun setzten sich ihm, wie er so dahinlief, die Bruchstücke zu einer Geschichte erst zusammen. Es war nicht ganz die Geschichte Bemelmans, auch nicht, was den Leuten im Wirtshaus nachhing, – aber vielleicht wäre das die Wahrheit?
    Der Hund Hexe, gewöhnt an den Weg und an das Haus, in dem die alte Fini ein einziges Zimmer besaß, lief mit kurzen Sätzen voraus und kratzte an der Tür, und Axel trat ein und sah sogleich, Susanna war nicht da. Nur ihr kleiner Sohn war da, er lag zwischen geblümten Kissen im Bett und schlief, und Fini war da, sie saß am Herd und schnitzte Späne. Erschrocken fuhr sie auf, sie hatte diesen Besuch nicht erwartet. Es war ja auch nicht der „bestimmte Tag“. Und nun war Frau Jorhan nicht da.
    Das Haus der Fini war nicht ihr eigenes, sondern es gehörte auch Axel – wie alles ringsum, Wiesen, Weizenfeld, Roggenfeld, Rübenfeld, Wald, der Wilnowsche Wald, die Wilnowschen Fischteiche, das Wilnowsche Windrad, – oder vielmehr, es hatte ihm gehört. Inzwischen gehörten ihm hier nur noch der Schmuck und die Teppiche, die bei Fini auf dem Dachboden lagen, und das Fahrrad, das in ihrem Holzschuppen stand.
    Sie wohnte ebenerdig in ihrer kleinen Stube mit eigenem Ausgang, und bei ihr war, anders als beim Bemelman oder in der Mühle, der Fußboden stets blitzsauber, die Fenster spiegelten, hinter jedem Stäubchen und Fädchen war Fini unerbittlich her. Das hatte sie nicht erst in der Villa bei Susanna gelernt, im Gegenteil war der in den Jahren zuvor die Hausfrauentugend der Fini zugute gekommen. Nun hatte Fini wieder nur auf ihre eigene kleine Wirtschaft zu achten; damit war sie bald fertig. Sie war ein armes Leut, hatte nur das Notwendigste, neben dem Herd eine Abwasch und einen Tisch mit zwei Stühlen, und dann einen alten Schubladkasten und einen bemalten Schrank, und noch die zwei Betten aus weichem Holz. Die hatte sich Fini zu Anfang des Krieges angeschafft, damals hatte sie geheiratet. Aber es war dann immer nur das eine Bett benützt worden. Der Mann war als Kraftfahrer eingezogen worden und in den ersten Tagen des Feldzugs gefallen.
    Erst nach dem Ende des Krieges war in Finis Stube das zweite Bett wieder gebraucht worden. Das war gewesen, als der Kapitän, der neue Herr, in die Jorhansche Villa eingezogen war und nicht bloß die Villa, sondern auch die Frau hatte haben wollen. Da hatte Susanna zuerst bei Fini Unterkunft gefunden, aber nach wenigen Tagen schon hatte sie auch von dort der Kapitän verjagt, er wollte sie im ganzen Dorfe nicht mehr sehen. Nun aber wollte sie wieder bei Fini wohnen, wenn nur der Kapitän es ihr erlaubte: und zu ihm war sie jetzt am Abend gegangen.
    Axel, der in die Stube prellte, erfuhr es von Fini: Frau Jorhan, nein, die ist nicht da, sie ist zum Kapitän hinunter!
    Zum Kapitän?
    Ja, damit er ihr die Aufenthaltserlaubnis gibt!
    Aber wieso denn, rief er, was ist denn los?
    Ach, Sie wissen ja noch nicht, was passiert ist, sagte Fini, nirgendwo lassen sie ihr Ruhe, jetzt muß sie vom Bemelmanhof auch weg!
    Axel hatte nicht Zeit, zu erklären, daß er schon etwas wußte. Fini redete auf ihn ein und erzählte von Kolja und den Flüchtlingen: – ach, zu Ihnen hat ja Frau Jorhan nie sprechen wollen darüber, warum ihn damit belasten, hat sie zu mir gesagt, wenn ich nichts sage, ist es immer besser. Aber mir hat sie gesagt, daß sie sich sorgt wegen der zwei Flüchtlinge, und daß sie mit diesem Kolja immer freundlich sein muß, damit er nicht herumspioniert im Haus, damit er sich besänftigt! Sie wissen doch, wie mißtrauisch die alle sind. Gleich sagen sie: Spion! Und angefangen hat es überhaupt so, daß er eines Tages gekommen ist und den Bemelmanhof hat ausräumen wollen. Aber da hat sie ihn abhalten können, und auch, wie er dann wiedergekommen ist, hat sie ihn ablenken können mit Freundlichkeit und Zureden, und selbst, wenn er betrunken gewesen und zudringlich geworden ist!
    … aber gestern, da ist es nicht mehr gegangen. Und wenn ihr jetzt der Kapitän nicht erlaubt, daß sie bei mir bleibt?
    Was war gestern? fragte Axel.
    Gestern, da ist dieser Kolja plötzlich auch in der Nacht gekommen und hat durch irgendeinen Zufall die zwei Leute entdeckt und hat sich gar nicht beschwichtigen lassen wollen, – und da ist sie dann hinaus zu ihm und hat es doch

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