Der Schritt hinueber - Roman
hatten genachtmahlt, und dann hatte sie mit ihm geschlafen.
Susanna war entschlossen gewesen, das nicht zu tun, und überhaupt nichts zu tun, nur sich zu wehren. Aber dann war es so gekommen, – sie hatte es seither oft durchlebt in ihrer Erinnerung als ob es Gegenwart wäre, so auch nun.
Jener Abend, – daß dies alles in ihrem eigenen Hause stattfinden soll, kommt ihr nur sonderbar vor. Aber sie benützt den Umstand, um den Kapitän während des Essens zu unterhalten. Sie spricht mit ihm über die Dinge, die sie kennt, über ihr Haus, die Möbel und ihr vergangenes Leben. Und der Kapitän strengt sich an zu einer Unterhaltung mit ihr. Schließlich sagt er: Sie sind eine merkwürdige Person, nicht wie die anderen hier. Sie antwortet nicht, sie weiß das längst, es macht ihr nicht viel Eindruck, daß sie nicht wie die anderen ist. Das hat auch Jorhan gesagt, auch Axel, jeder: Sie sind nicht wie die anderen. Sie sind nicht langweilig, sagt der Kapitän und lächelt. Sie lächelt nicht. Sie sieht sich selber, ein Gesicht, das sich einfach zu Reden hinhält und zu sonst nichts, und das so durchhalten will; immer sind Worte dazwischen und man kann ihr nicht nahekommen. Sie essen und trinken. Es gibt weißes Brot und verschiedene Schnäpse und fetten Schinken, so daß ihr beinahe übel wird und sie mehr Schnaps trinken muß, als ihr guttut. Aber einstweilen redet sie nur noch mehr. Sie erzählt von ihrer Familie, von ihrem kleinen Sohn, auch von ihrem Mann. Sie spricht von ihm als „Jorhan“; sie sagt, Jorhan habe zuletzt vor dreiviertel Jahren geschrieben.
Dann spricht sie über den Adjutanten des Kapitäns, den Oberleutnant Spasso, einen Mann mit einem Kindergesicht. Der Kapitän hat ihn ihr als Boten geschickt. Sie sagt:
Er ist ein wahres Baby, dabei kommt er immer ganz schnell und ängstlich und geht auch schnell wieder – wie auf Flügeln, und ich glaube, er geniert sich!
Geniert? fragt der Kapitän.
Ja, eine Dame abzuholen, sagt sie.
Sie merkt, daß der Kapitän sie prüfend ansieht. Er beobachtet sie die ganze Zeit; aber sie hat sich in der Hand und faßt auch Mut und findet es gar nicht so schlimm mit ihm. Es gibt zuletzt ein süßes klebriges Gebäck, wie sie es nie gemocht hat, – wie ich es hasse, dieses Zeug, hat sie schon als junges Mädchen gesagt. Das spricht sie auch jetzt aus.
Ah, sagt der Kapitän, ich sehe, wir passen zusammen, wir haben denselben Geschmack, scharfe Getränke, nichts Süßes, ich sehe, Sie ziehen den scharfen Schnaps vor!
Sie sagt: Weil mir sonst übel wird!
Er sagt: Aber, meine Liebe, Sie müssen essen, Sie müssen trinken, und er legt ihr noch einiges vor und füllt ihr das Glas.
Sie hat den Mund voll und kann nicht reden. Da rückt er an sie heran und legt den Arm um sie und tut, was sie sich vorgestellt hat, daß er es tun wird; er küßt ihr das Haar und spielt mit ihrem Haar und küßt ihr die Wangen und hebt schließlich ihr Gesicht auf, um sie auf den Mund zu küssen. Sie merkt, daß er aus dem Mund riecht, und an dem Gesicht, das sie schneidet, merkt er es selber. Da bringt er ihr noch ein Glas Schnaps und stößt es ihr vor den Mund.
Trinken Sie doch noch, bitte!
Sie denkt, er hat es gemerkt und meint, das nimmt mir den Geruch weg. Sie muß aber nun wirklich trinken, es hilft ihr im Augenblick und schmeckt ihr auch. Er streichelt ihr die Arme und berührt sie dabei kaum, sie spürt es an den Härchen und noch nicht an der Haut, dann auch an der Haut, sie hält sich still.
Er fängt an zu schwitzen. Er streichelt sie am Hals, da sind keine Härchen, da ist nur Haut. Dann streichelt er sie an der Bluse, da ist der glatte Stoff, der knistert. Dann öffnet er ihr die Bluse und rührt sie am Hemd an. Aber nun steht sie auf, und da erschrickt er sehr, weil sie sich plötzlich zusammenkrümmt und ihn am Handgelenk packt, und er erschrickt noch mehr, weil sie ein paar Schritte vorantut und hinausgeht. Er folgt ihr, und sie läuft ins Bad und speit alles aus. Ihr ist sterbensübel. Sie kommt wieder herein und setzt sich auf das Sofa mit dem Sternenmuster. Der Kapitän steht eine Weile unbeholfen vor ihr. Dann setzt er sich neben sie und strengt sich an, ihr die Bluse auszuziehen. Es ist alles unbequem für ihn, aber er gibt nicht nach, und sie läßt es sich auch gefallen und mit einer Wendung, indem sie die Schultern einzieht und den Arm ausstreckt, hilft sie ihm sogar dabei, und dann liegen sie auf dem Sofa nebeneinander. Als er ihr aber auch den Rock ausziehen
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