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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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etwas an ihr, wo man nicht mitkommt: sie ist nicht treu und rein, und ist nicht einfach meine Frau! Die Zweifel plagten ihn: er sah einen fremden Menschen, der ihm nie gehört hatte. Er wollte die Zweifel auslöschen, am liebsten hätte er natürlich seine Frau gleich hier am Fenster umarmt. Seine Hände zitterten, er spürte unter dem Kleid ihre Haut und spürte sie dann an ihren bloßen Armen und an ihrem Hals und am Ausschnitt des Kleides. Bis dahin hatte sie sich nicht geregt, hatte kaum geatmet, ihn auch nicht angesehen, – nun hob sie endlich den Kopf und trat vom Fenster weg, vom Licht weg in das Dunkel des Zimmers. Auf dem Nachtkästchen leuchteten die Ziffern und Zeiger der Uhr.
    Susanna hörte die Stimme des Kapitäns. Wie spät ist es? fragte er. In Wirklichkeit las sie bei Jorhan die Zeit von den grün leuchtenden Ziffern und Zeigern. Aber sie sah das Bild vor sich: Fräulein Pallas-Ledwinka trat auf den Kapitän zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr: Zehn Uhr, und Sie müssen sofort weg; wenn Sie auf der Straße noch durchkommen wollen, müssen Sie sofort gehen, Sie wissen doch, es ist Ausgangssperre um zehn!
    Es war Jorhan, der zu erzählen angefangen hatte: Ausgangssperre. Es war wohl Verlegenheit, die ihn plötzlich dazu brachte, so weitschweifig zu reden: Denk einmal, du hättest abends gar nicht weiterkommen können, hier ist Ausgangssperre über Nacht, und ich hatte vergessen, dir das zu erwähnen in meinem Brief. Und gestern um die Zeit habe ich mir Sorgen gemacht, ich habe immer daran gedacht, hoffentlich ist sie jetzt nicht unterwegs und muß dann in ein fremdes Haus!
    Susanna dachte: aber ja, ich habe ja übernachtet in einem fremden Haus! – aber jetzt, ich kann es ihm nicht sagen, ich muß so tun, als wäre ich bei ihm daheim.
    Jorhan sagte: Manche Leute haben besondere Permits, mit denen sie jederzeit auf die Straße dürfen. Unsere Ärzte zum Beispiel. Aber ich habe noch nicht herausfinden können, welche Stelle diese Permits ausgibt, und welche Unterlagen man dafür beibringen muß. Ich hätte sonst versucht, eines zu kriegen.
    Aber wozu denn, sagte Susanna, du brauchst doch kein solches Permit.
    Sie sagte es mechanisch, nur um irgendetwas zu antworten. Sie war ausschließlich mit sich selbst beschäftigt.
    Jorhan sagte: Ich verstehe dich nicht, ein solches Permit kann man immer brauchen. Man ist dann sein eigener Herr!
    Susanna bemühte sich, das zu verstehen.
    Jorhan sagte: Man kann auch nicht Besuch haben, so lang man will. Nimm einmal an, du wärest auf Besuch bei mir und wohntest woanders; jetzt ist es zehn, da müßtest du gehen!
    Susanna hörte ihm nicht zu. Sie empfand, wie es plötzlich still wurde, in ihr selber still. Sie wandte sich um und umarmte den Kapitän. Sie wußte, alle sahen es, Axel, Kolja, die Pallas-Ledwinka, auch Spasso und die Lehrerin, und alle begriffen, es war der Abschied. Dann stand sie neben Jorhan und sah ihn und dachte: aber ich erwarte doch das Kind, – und nun muß ich ihn umarmen! Sie sah auf die grünen Zeiger der Uhr, die waren ein Stück weitergerückt. Der kleine Sekundenzeiger kreiste. Sie folgte ihm, bis er den Kreis vollendet hatte, sie nahm sich das wie ein Signal, paßte den Augenblick ab, dann sagte sie zu Jorhan: Ach, du bist aber komisch, nimm einmal an, ich wäre bloß Besuch bei dir, dann könnte ich jetzt nicht mehr fortgehen. Sehr schlimm für deinen Besuch, er müßte bei dir übernachten!
    Wenn sie es fertigbrachte, so etwas scherzhaft auszusprechen, – das Ganze zu einer Art Spiel zu machen, – vielleicht ging es dann. Aber es strengte sie an. Und was kam dann? Sie sah auf den Sekundenzeiger. Als er dreimal seinen Kreis vollendet hatte, schlüpfte sie aus dem Kleid.
    Sie ließ das Kleid fallen und blieb, wie es auf dem Boden lag, auf ihm stehen, und versuchte noch einmal, zu reden. Jorhan konnte im Dunkel ihr Gesicht nicht sehen, ihm klang, was sie sagte, echt als scherzhafte Wendung. Ich bin dein Besuch, ja, ich habe keinen Schein, und du mußt mich also behalten.
    Sie hatte den Schein des Kapitäns vor sich, es war wirklich ein Wisch, ein ganz gewöhnlicher Schein, nicht einer mit Waldfeebäumen, und nun erkannte sie, was geschah: nicht einmal der Kapitän kehrte in das Paradies zurück.
    Jorhan sagte etwas, sie hörte es nicht. Sie sah zu, wie der Kapitän ging. Die Pallas-Ledwinka begleitete ihn zur Haustür, und nun kam sofort wieder die Angst. Susanna spürte es, und auch die kleine Schwarzhaarige merkte, daß sich etwas

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