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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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aufmerksam zu machen, daß er im Zuchthaus war.«
    »Im Zuchthaus! Aber gebessert«, warf Mullett hastig ein.
    »Darüber kann ich natürlich kein Urteil abgeben«, sagte Wachtmeister Garroway. »Ich kann nur über Dinge sprechen, die ich weiß. Es ist sehr leicht möglich, daß Mr. Mullett, wie er sagt, gebessert ist. Aber das ändert nichts daran, daß er sein Teil abgesessen hat; und mein Pflichtgefühl zwingt mich, den Herrn, in dessen Diensten er augenblicklich steht, darauf aufmerksam zu machen. Als ich Mr. Mullett kennenlernte, kam mir sein Gesicht sofort merkwürdig bekannt vor, aber erst jetzt kam ich darauf, daß ich vor kurzem ein Bild von ihm im Verbrecheralbum des Polizeipräsidiums gesehen habe. Es wird Ihnen vielleicht bekannt sein, Mr. Finch, daß verurteilte Verbrecher, bevor sie ihre Strafe antreten, in mehreren Stellungen fotografiert werden. Dies geschah mit Mr. Mullett vor ungefähr achtzehn Monaten, als er wegen gewohnheitsmäßigen Hausdiebstahls zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Darf ich fragen, wie Mr. Mullett zu der Stellung bei Ihnen gekommen ist?«
    »Mr. Beamish schickte ihn mir. Mr. Hamilton Beamish.«
    »In diesem Fall, Mr. Finch, habe ich nichts weiter zu sagen«, rief der Polizist, sich vor dem verehrten Namen beugend. »Zweifellos hatte Mr. Beamish ausgezeichnete Gründe dafür, Mr. Mullett zu empfehlen. Und ich brauche wohl nicht ausdrücklich zu betonen, daß wir von der Polizei selbstverständlich nichts gegen Mr. Mullett haben, da er sein Verbrechen schon vor langer Zeit abgebüßt hat. Ich hielt es nur für meine Pflicht, Sie über seine frühere Tätigkeit aufzuklären, weil es nicht ausgeschlossen ist, daß Sie vielleicht ein Vorurteil dagegen haben, einen Mann mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen. Ich muß jetzt gehen, meine Pflichten zwingen mich, zur Wache zurückzukehren. Guten Abend, Mr. Finch.«
    »Guten Abend.«
    »Guten Tag, Mr. Mullett. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen. Haben Sie vielleicht während Ihres Aufenthalts in Sing-Sing einen jungen Menschen namens Joe, der Gorilla, kennengelernt? Nein? Schade. Er ist nämlich aus meinem Heimatort, und ich hätte gern etwas über ihn gehört.«
    Als Wachtmeister Garroway sich empfohlen hatte, herrschte ziemlich lange Schweigen. George Finch, der ein liebenswürdiger junger Mann mit heftiger Abneigung gegen unangenehme Auftritte war, scharrte betreten mit den Füßen und sah Mullett an. Mullett blickte zum Himmel.
    »Äh – Mullett«, sagte George schließlich.
    »Sir?«
    »Das ist ziemlich peinlich.«
    »Sehr unangenehm für alle Beteiligten, Sir.«
    »Ich meine, Mr. Beamish hätte mir etwas davon sagen können.«
    »Er hat es wohl für überflüssig gehalten, Sir. Er wußte ja, daß ich gebessert bin.«
    »Ja, aber trotzdem … Äh – Mullett.«
    »Sir?«
    »Der Wachtmeister hat etwas von Hausdiebstahl gesagt. Was war eigentlich Ihre – äh – Methode?«
    »Ich pflegte mir einen Posten als Diener zu verschaffen, Sir, auf eine Gelegenheit zu warten und dann mit allem, was ich in die Hände kriegen konnte, durchzubrennen.«
    »So. So haben Sie es also gemacht?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Ja, ich meine, Mr. Beamish hätte mir wirklich etwas sagen sollen. Du lieber Himmel! Ich setze Sie vielleicht seit Wochen Versuchungen aus.«
    »Das haben Sie getan, Sir – sehr ernsthaften Versuchungen. Aber ich freue mich über Versuchungen, Mr. Finch. So oft ich mit Ihren Hemdperlen allein bin, habe ich einen Kampf mit dem Versucher. ›Warum nimmst du sie nicht?‹ Das ist eine ausgezeichnete moralische Übung, Sir.«
    »Kann schon sein.«
    »Jawohl, Sir, es ist schrecklich, was mir der Versucher immer einbläst. Manchmal, wenn Sie schlafen, sagt er: ›Steck ihm einen Chloroformschwamm unter die Nase, Mullett, und mach dich mit der Beute davon.‹ Stellen Sie sich das bloß vor, Sir.«
    »Ich kann es mir sehr gut vorstellen.«
    »Aber ich siege immer, Sir. Ich habe noch keine Schlacht mit dem alten Versucher verloren, seitdem ich bei Ihnen bin, Mr. Finch.«
    »Trotzdem, ich glaube nicht, daß Sie bei mir bleiben werden, Mullett.«
    Mullett beugte resigniert das Haupt.
    »Das fürchtete ich, Sir. Als dieser plattfüßige Polyp auf das Dach kam, hatte ich sofort eine Ahnung, daß es Unannehmlichkeiten geben würde. Aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie es sich noch überlegen könnten. Ich kann Ihnen wirklich versichern, daß ich ganz gebessert bin.«
    »Religion?«
    »Nein, Sir.

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