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Der Schuss nebenan Kommissar Morry

Der Schuss nebenan Kommissar Morry

Titel: Der Schuss nebenan Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Lächeln gefangennehmen zu lassen. Er wollte ganz aggressiv beginnen. Es war immer gut, den Gegner zu schockieren. Dieser Bramsey sollte sofort wissen, mit welcher Anklage er sich auseinanderzusetzen hatte!
    „Man wirft Ihnen vor, die Schuld am Tod Ihrer Eltern zu tragen, Sir."
    Bramsey nickte. „Ich nehme an, daß das stimmt."
    Random riß die Augen auf. „Sie geben zu, Ihre Eltern ermordet zu haben?"
    Bramsey hob die linke Augenbraue. „Wie belieben?"
    Random lief rot an. „Sie bestreiten nicht, den Tod Ihrer armen Eltern herbeigeführt zu haben?"
    „Man kann nicht sagen, daß sie arm waren."
    „Sie wissen genau, wie ich's meine!" entrüstete sich der Leutnant. „Also, geben Sie die Tat zu?"
    „Ich muß gestehen, daß mich Ihr bizarrer Humor ein wenig überrascht."
    „Verschonen Sie mich mit Ihren albernen Feststellungen! Mir ist es bitter ernst mit meiner Mission. Nehmen Sie das zur Kenntnis!"
    „Das dachte ich mir", bemerkte der Lord mit leichtem Kopfnicken. „Sie machen durchaus den Eindruck eines Menschen, der die ihm aufgetragenen Pflichten redlich und gewissenhaft erfüllt. Ich möchte Sie keineswegs frotzeln, Leutnant, aber mir drängt sich doch allmählich die Überzeugung auf, daß Sie mich und meine Äußerungen nicht ganz richtig bewerten."
    „Sie haben zugegeben, am Tod Ihrer Eltern die Schuld zu tragen."
    „Ich habe es ein wenig anders formuliert", korrigierte der Lord lachend, „vor allem war es ganz anders gemeint. Meine Eltern waren alte, sehr konservative Leute — stockkonservativ, um genau zu sein. Es ließ ihnen keine Ruhe, daß ihr einziger Sohn wie ein Freigeist lebte und mit seinen Abenteuern die Spalten der Boulevardpresse füllte. Ich mußte mir mehr als einmal von ihnen sagen lassen, daß ich sie eines Tages gewiß noch ins Grab bringen würde."
    „Na, sehen Sie!"
    Lord Bramsey zuckte die Schultern. „Eltern scheuen selten vor krassen Formulierungen zurück, wenn es ihnen darum geht, die Kinder zur Räson zu bringen. In meinem Fall war das nicht anders. Allerdings muß ich gestehen, daß ich mir die Worte meiner alten Herrschaften nicht sonderlich zu Herzen nahm. Heute macht es mir natürlich Kummer, zu wissen, daß ich ihnen gegen meinen Willen soviel Gram zugefügt habe. Im Grunde waren sie seit jenem Tage tot, als ich in den Skandal mit der Tochter des Viscounts verwickelt wurde. Sie zogen sich vom Leben und von der Gesellschaft zurück. Sie waren gleichsam lebendig begraben. Das ist es, worauf ich vorhin anspielte."
    „Warum sind Sie nach Amerika gekommen?"
    „Ich dachte, es sei eine nette Abwechslung."
    Random starrte den Lord an. Der Leutnant hatte seit zwei Jahren keinen Urlaub gemacht, weil es ihm an Zeit und Geld dafür mangelte. Und hier saß ein Mann, der von England nach Amerika gereist war, weil er es für eine nette Abwechslung hielt!
    „Soso", sagte Random bitter. „Und wie lange gedenken Sie zu bleiben?"
    „Oh, das hängt davon ab, ob mich Ihr Land zu fesseln vermag", erklärte Lord Bramsey. „Ich bin allergisch gegen jede Art von Langeweile; sobald sie in Erscheinung tritt, wechsle ich den Standort."
    „Sehr vernünftig!" witzelte Random, zum erstenmal von einer unwiderstehlichen Spottlust übermannt.
    „Ich freue mich, daß Sie darin mit mir einer Meinung sind", sagte Lord Bramsey ganz ernsthaft.
    „Da wäre noch eine Kleinigkeit", meinte Random.
    „Ah, wirklich?"
    „Ihre Braut. Sie ist unter recht merkwürdigen Umständen gestorben."
    „In der Tat. Heutzutage ist es freilich nicht mehr ganz selten, unter die Räder eines Wagens zu kommen."
    „Stimmt. Nur erwischte es Ihre Braut ausgerechnet auf dem Bürgersteig."
    „Alkoholmißbrauch!" sagte Lord Bramsey dumpf. „Eine wahre Schande!"
    Random betrachtete den Lord mit verkniffenem Gesicht. War dieser verrückte Engländer überhaupt ernst zu nehmen? Oder hielt es Bramsey gar für einen Mordsspaß, ihn, Leutnant Random, auf den Arm zu nehmen?
    „Der Fahrer entzog sich durch Flucht seiner Verantwortung", meinte Random.
    „So wurde es mir berichtet."
    „Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen?"
    „Nein."
    „Darf ich mir eine persönliche Bemerkung gestatten?"
    „Bitte, Leutnant."
    „Ich halte Sie für ein kaltes, herzloses Scheusal!"
    Einige Sekunden war es ganz still in dem Zimmer. Random wurde es plötzlich ziemlich warm. Der Lord betrachtete ihn mit seinen tiefblauen Augen sehr aufmerksam, beinahe nachdenklich.
    Wenn er sich bei meinem Chef beschwert, bekomme ich eins auf's Dach, schoß es

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