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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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einem von Stefan unbeeinflußten Leben geschrieben …«
    »Als ich dich zum ersten Mal bei dieser Signierstunde in Westwood sah, warst du neunundzwanzig«, fuhr Stefan fort. »Du saßest mit gelähmten, verkrüppelten Beinen in einem Rollstuhl. Auch dein linker Arm war teilweise gelähmt.«
    »Im Rollstuhl?« fragte Chris. »Mom ist schwerbehindert gewesen?«
    Laura hockte jetzt voller nervöser Spannung ganz vorn auf der Sesselkante, denn obwohl das, was ihr Beschützer erzählte, zu phantastisch klang, um glaubhaft zu sein, spürte sie, daß es wahr war. Auf einer noch unterhalb des Instinkts angesiedelten Bewußtseinsebene erkannte sie die Richtigkeit dieses Bildes, das sie gelähmt im Rollstuhl zeigte – vielleicht als schwaches Echo eines dann doch abgewendeten Schicksals.
    »Du warst so geboren worden, Laura«, erklärte Stefan ihr.
    »Weshalb?«
    »Das habe ich erst später und nach langwierigen Recherchen herausbekommen. Der Arzt – ein gewisser Markwell –, der im Jahre 1955 in Denver, Colorado, dein Geburtshelfer gewesen war, war ein Trinker. Außerdem war deine Geburt ohnehin sehr schwierig …«
    »Meine Mutter ist dabei gestorben.«
    »Ja, auch in jener Realität hat sie nicht überlebt. Aber da hat Markwell die Geburt verpatzt, so daß du schwerbehindert auf die Welt kamst.«
    Laura spürte, daß ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. Wie um sich zu beweisen, daß sie dem Leben, für das sie bestimmt gewesen, tatsächlich entronnen war, stand sie auf, trat ans Fenster und benützte dazu ihre Beine: ihre gesunden, herrlich brauchbaren Beine.
    Stefan wandte sich an Chris. »Deine Mutter war wunderschön, als ich sie an diesem Tag im Rollstuhl sah«, sagte er. »Wirklich wunderschön! Sie hatte natürlich dasselbe Gesicht wie jetzt. Aber sie war nicht nur wegen ihres Gesichts schön.
    Sie strahlte soviel Mut aus und war trotz ihrer schweren Behinderung so fröhlich … Obwohl deine Mutter an den Rollstuhl gefesselt war, wirkte sie amüsant und unbekümmert. Ich beobachtete sie aus dem Hintergrund und war verzaubert und zutiefst gerührt wie nie zuvor.«
    »Sie ist großartig«, stimmte Chris zu. »Mom hat vor nichts Angst.«
    »Sie hat nur und vor allem Angst!« widersprach Laura. »Dieses verrückte Gespräch ängstigt sie halb zu Tode!«
    »Du versteckst dich nie oder läufst vor etwas weg«, sagte Chris, sah zu ihr hinüber und wurde rot. »Du hast vielleicht Angst, aber du läßt sie dir nie anmerken.«
    »An diesem Tag habe ich ein Exemplar von ›Riffe‹ gekauft«, berichtete Stefan weiter, »ins Hotel mitgenommen und gleich in dieser Nacht verschlungen. Manche Stellen waren so schön, daß ich weinen mußte … andere so amüsant, daß ich laut lachte. Gleich am nächsten Tag kaufte ich mir ›Das silberne Schloß‹ und ›Felder in der Nacht‹ – deine beiden ersten Bücher, die ebenso brillant und bewegend waren wie die berühmten ›Riffe‹«.
    Für Laura war es merkwürdig, lobende Urteile über Romane zu hören, die sie in diesem Leben niemals geschrieben hatte. Der Inhalt der drei Bücher interessierte sie jedoch weniger als die Beantwortung einer wichtigen Frage, die ihr eben eingefallen war: »Bin ich in diesem anderen Leben, in diesem anderen 1984 … verheiratet gewesen?«
    »Nein.«
    »Aber ich hatte Danny kennengelernt und …«
    »Nein. Du hattest Danny nie kennengelernt. Du warst ledig.«
    »Ich wäre nie geboren worden!« rief Chris.
    »Alles das hat sich ereignet«, berichtete Stefan, »weil ich im Jahre 1955 in Denver, Colorado, gewesen bin und Doktor Markwell daran gehindert habe, als Geburtshelfer zu fungieren. Auch der Arzt, der ihn vertrat, hat deine Mutter nicht retten können, aber er hat dich gesund und unversehrt zur Welt gebracht. Und von diesem Augenblick an lief dein gesamtes Leben anders ab. Gewiß, ich habe deine Vergangenheit verändert – aber sie war zugleich meine Zukunft und deshalb veränderbar. Dem Himmel sei Dank für diese Besonderheit von Zeitreisen, denn sonst hätte ich dich nicht vor einem Leben im Rollstuhl retten können!«
    Ein Windstoß ließ weitere Regentropfen gegen das Fenster prasseln, vor dem Laura stand.
    »Danach habe ich dein Leben überwacht«, fuhr Stefan fort. »Von Mitte Januar bis Mitte März 1944 unternahm ich heimlich über dreißig Zeitreisen, um zu kontrollieren, wie es dir ging. Bei der vierten Reise ins Jahr 1964 entdeckte ich, daß du seit einem Jahr tot warst – daß der Junkie, der euer Geschäft überfiel,

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