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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Partei, die anfangs eher ein Debattierklub gewesen war, in eine regelrechte politische Partei umgewandelt wurde, aus der sich später die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei entwickelte.
    »Als Siebzehnjähriger bin ich 1926 einer der ersten Hitlerjungen gewesen«, berichtete Stefan weiter. »Dann ein Jahr später bin ich in die Sturmabteilung der SA eingetreten – die Braunhemden, die Kampftruppe der Partei, buchstäblich eine Privatarmee. Ab 1928 habe ich dann der Schutzstaffel angehört …«
    »Der SS!« sagte Chris in einer Mischung aus Abscheu und Faszination, als wäre die Rede von Vampiren oder Werwölfen. »Du bist SS-Angehöriger gewesen? Du hast die schwarze Uniform mit dem silbernen Totenkopf und dem SS-Dolch getragen?«
    »Darauf bin ich nicht stolz«, wehrte Stefan ab. »Oh, damals war ich natürlich stolz! Ich war dumm. Und mein Vater war ein Dummkopf. In der Anfangszeit war die SS eine kleine Elitegruppe, die den Auftrag hatte, den Führer notfalls unter Einsatz ihres eigenen Lebens zu schützen. Wir waren alle zwischen achtzehn und zweiundzwanzig Jahren: junge, unerfahrene Heißsporne. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur vorbringen, daß ich weniger fanatisch war als meine Kameraden. Ich hatte lediglich getan, was mein Vater wollte, ohne weiter nach dem Sinn meines Tuns zu fragen.«
    Vom Wind getriebener Regen klatschte gegen die Fensterscheiben und gurgelte durch ein Fallrohr an der Wand hinter dem Bett.
    Nach seinem Nickerchen wirkte Stefan wieder kräftiger, und die heiße Suppe hatte ihm ebenfalls sichtlich gutgetan. Während er sich jetzt jedoch an seine in einem Hexenkessel aus Haß und Tod verbrachte Jugend erinnerte, wurde er erneut blaß, seine Augen schienen tiefer in ihre dunklen Höhlen zu sinken. »Ich bin nie aus der SS ausgetreten, weil die Stellung eines SS-Führers begehrt war – und weil ich nicht hätte ausscheiden können, ohne den Verdacht zu erwecken, ich hätte das Vertrauen zu unserem geliebten Führer verloren. Jahr für Jahr, Monat für Monat und zuletzt Tag für Tag hat mich alles, was ich um mich herum gesehen habe – den Wahnsinn und das Morden und den Terror –, immer mehr entsetzt.«
    Weder die süß-sauren Krabben noch das Brathuhn mit Zitrone schmeckten noch besonders, und Lauras Mund war so ausgetrocknet, daß der Reis ihr am Gaumen klebte. Sie schob das Essen beiseite und trank einen Schluck Coke. »Aber wenn du nie aus der SS ausgetreten bist – wann hast du dann studiert, wie bist du dazu gekommen, in der Forschung tätig zu sein?«
    »Oh«, sagte Stefan, »ich war nicht als Wissenschaftler im Institut. Ich habe auch nicht studiert, aber … ich habe als Teilnehmer eines Projekts zur Einschleusung von Hunderten von Agenten nach England und Amerika in dreijähriger Intensivausbildung versucht, akzentfreies amerikanisches Englisch zu lernen. Aber ich konnte meinen Akzent nie ganz ablegen und wurde deshalb nicht ins Ausland geschickt. Da mein Vater aber einer der ersten Anhänger Hitlers gewesen war, galt ich stets als vertrauenswürdig und wurde deshalb anderweitig eingesetzt. Als SS-Führer zur besonderen Verwendung gehörte ich zum Stab des Führers und wurde mit allen möglichen Sonderaufgaben betraut. In dieser Stellung konnte ich den Engländern nützliche Informationen liefern, was ich ab 1938 getan habe.«
    »Du bist ein Spion gewesen?« fragte Chris aufgeregt.
    »In gewisser Beziehung. Nachdem ich bereitwillig mitgeholfen hatte, das Dritte Reich aufzubauen, mußte ich jetzt wenigstens zu seinem Sturz beitragen. Das war meine Form der Wiedergutmachung – obwohl eine vollständige Wiedergutmachung unmöglich zu sein schien. Und als Penlowskis Zeitmaschine dann im Herbst 1943 zu funktionieren begann, als er Tiere aus der Gegenwart verschwinden ließ und sie wieder zurückholte, wurde ich als persönlicher Vertreter des Führers ins Institut beordert. Aber auch als Versuchskaninchen – als erster Zeitreisender. Als es soweit war, daß ein Mensch in die Zukunft geschickt werden konnte, sollten weder Penlowski noch einer der anderen Wissenschaftler, deren Ausfall das Projekt hätte beeinträchtigen können, aufs Spiel gesetzt werden. Niemand wußte, ob ein Mensch ebenso zuverlässig wie die Tiere zurückkommen und die Zeitreise geistig und körperlich gesund überstehen würde.«
    Chris nickte ernsthaft. »Klar, Zeitreisen hätten schmerzhaft sein oder zu Geistesverwirrung führen können. Wer hätte das im voraus wissen können?«
    Richtig,

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