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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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existieren würde, wenn sie anständig lebte und ein guter Mensch zu werden versuchte.
    Aber es würde nicht leicht sein, der Zukunft optimistisch entgegenzutreten und glücklich zu werden. Sie wußte jetzt, daß das Leben erschreckend tragischen Wechselfällen unterworfen war: daß es heiter und warm und im nächsten Augenblick kalt und stürmisch sein konnte, so daß man nie wußte, wann ein Blitzstrahl einen geliebten Menschen treffen würde. Nichts hatte ewig Bestand. Das Leben war eine Kerze im Wind. Es war eine harte Lektion für ein Mädchen in ihrem Alter, und Laura kam sich alt, sehr alt, uralt vor.
    Als der heiße Tränenstrom versiegte, beeilte sie sich, ihre Fassung zurückzugewinnen, damit das Ehepaar Lance nicht merkte, daß sie geweint hatte. Wenn die Welt hart, grausam und unbarmherzig war, dann konnte es nicht klug sein, sich auch nur die geringste Schwäche anmerken zu lassen.
    Laura wickelte die kleinen Stiefel, den Regenschirm und den Wollschal sorgfältig in Kosmetiktücher und verstaute sie in dem Überseekoffer.
    Als beide Nachttische ausgeräumt waren, machte sie sich an ihren Schreibtisch und entdeckte auf der Schreibunterlage aus grünem Filz einen zusammengefalteten Briefbogen, auf dem in klarer, eleganter, wie gestochen wirkender Handschrift eine Mitteilung für sie stand.
    Liebe Laura, manche Ereignisse sind vorausbestimmt, und niemand kann sie verhindern. Nicht einmal Dein spezieller Beschützer. Tröste Dich mit der Gewißheit, daß Du von Deinem Vater von ganzem Herzen und auf eine Weise geliebt worden bist, wie nur wenige Glückliche jemals geliebt werden. Wenn Du jetzt auch glaubst, niemals wieder glücklich sein zu können, täuschst Du Dich. Im Laufe der Zeit wirst Du wieder glücklich werden. Das ist kein leeres Versprechen. Das ist eine Tatsache.
    Der Brief war nicht unterschrieben, aber sie wußte, von wem er stammen mußte: von dem Mann, der auf dem Friedhof gewesen war, sie aus dem vorbeifahrenden Auto beobachtet hatte und ihrem Vater und ihr vor Jahren das Leben gerettet hatte. Kein anderer konnte sich als ihr »spezieller Beschützer« bezeichnen. Ein Zittern durchlief ihren Körper – nicht vor Angst, sondern weil das Unerklärliche und Geheimnisvolle an ihrem Beschützer sie mit Neugier und Verwunderung erfüllten.
    Laura trat rasch ans Fenster ihres Zimmers und schob die dünnen Netzstores zwischen den Vorhängen beiseite, weil sie fest annahm, er werde unten auf der Straße stehen und den Laden beobachten. Aber er war nicht da.
    Auch der Mann in Schwarz war nicht da. Ihn hatte sie nicht zu sehen erwartet. Sie hatte sich inzwischen eingeredet, der zweite Unbekannte habe nichts mit ihrem Beschützer zu tun und sei aus irgendeinem anderen Grund auf dem Friedhof gewesen. Er hatte ihren Namen gewußt. Aber vielleicht hatte er ihn zuvor gehört, als Cora sie vom Hügel aus rief. Es gelang ihr, ihn aus ihren Gedanken zu verdrängen, weil sie nicht wollte , daß er ein Bestandteil ihres Lebens war, während sie sich andererseits nichts sehnlicher wünschte als einen speziellen Beschützer.
    Sie las den Brief nochmals.
    Obwohl Laura nicht begriff, wer der blonde Mann war oder weshalb er sich für sie interessierte, fand sie seine Mitteilung tröstlich. Man brauchte nicht alles zu verstehen, solange man es nur glaubte .
    Nachdem Stefan auf dem Dachboden des Instituts die Sprengladungen angebracht hatte, kam er in der nächsten Nacht mit seinem Koffer zurück und behauptete neuerlich, keinen Schlaf gefunden zu haben. Viktor, der diesen Besuch vorausgesehen hatte, hatte ihm die Hälfte des von seiner Frau gebackenen Kuchens mitgebracht.
    Stefan biß zwischendurch immer wieder von dem Kuchen ab, während er die Sprengladungen anbrachte. Der riesige Keller war in zwei Räume unterteilt, in denen sich im Gegensatz zum Dachboden jeden Tag Mitarbeiter des Instituts aufhielten. Deshalb mußten hier unten die Ladungen und ihre Zündleitungen unsichtbar bleiben.
    Der erste Raum enthielt das Forschungsarchiv und zwei lange Arbeitstische aus massiver Eiche. Die zwei Meter hohen Aktenschränke standen in Gruppen zusammengefaßt an den Wänden. Er brauchte die Sprengladungen nur oben auf die Schränke zu legen und ganz nach hinten an die Wand zu schieben, so daß selbst der größte Institutsangestellte sie nicht mehr sehen konnte.
    Die Zündleitungen konnte er hinter den Schränken verlegen, aber er mußte ein kleines Loch in die Trennwand zwischen den Kellerräumen bohren, um die Leitungen

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