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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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wurden. Man trank Milch aus einem Pappkarton und ekelte sich vor dem Inhalt eines Euters. Das Weltempfinden verkrüppelte, und damit einher ging Arroganz. Bohrmann war begeistert von dem Simulator und seinen Möglichkeiten. Zugleich führte ihm der Tank vor Augen, wie blind Forschung zu werden drohte, wenn sie das Objekt ihrer Untersuchung nachbildete, anstatt es zu betrachten. Immer weniger ging es darum, den Planeten zu verstehen, als ihn sich zurechtzubiegen. Im bunten Disneyland der Missverständnisse erhielt menschliches Eingreifen neue, schreckliche Rechtfertigung.
    Jedes Mal, wenn er die Halle betrat, schoss Bohrmann derselbe Gedanke durch den Kopf: Nie werden wir in der Lage sein, Gewissheit über das Machbare zu erlangen, sondern immer nur über das, wovon wir besser die Finger lassen. Und davon wollen wir dann nichts hören.
    Zwei Tage nach dem Unfall auf der Sonne befand er sich wieder in Kiel. Die Bohrkerne und Kühlbehälter waren mit separater Eilfracht in die Obhut von Erwin Suess gelangt, der sich mit einem Team von Geochemikern und Biologen unverzüglich darangemacht hatte, die Ausbeute der Expedition zu untersuchen. Als Bohrmann im Institut eingetroffen war, hatten die Analysen schon begonnen. Seit vierundzwanzig Stunden versuchten sie unermüdlich, den Ursachen der Zersetzung aufdie Spur zu kommen. Wie es aussah, waren sie fündig geworden. Der Simulator mochte die Wirklichkeit idealisieren, aber in diesem Fall hatte er vielleicht die Wahrheit über die Würmer ans Licht gebracht.
    Suess wartete am Monitorpult auf ihn. Er war in Begleitung Heiko Sahlings und Yvonne Mirbachs, einer Molekularbiologin, die auf Tiefseebakterien spezialisiert war.
    »Wir haben eine Computersimulation angelegt«, sagte Suess. »Weniger für uns, sondern damit es jeder begreift.«
    »Es ist also nicht mehr alleine das Problem von Statoil«, sagte Bohrmann.
    »Nein.«
    Suess bewegte den Cursor auf dem Monitor und klickte ein Symbol an. Eine grafische Darstellung erschien. Sie zeigte einen Querschnitt durch einen einhundert Meter dicken Hydratdeckel und eine darunter liegende Gasblase. Sahling deutete auf eine dünne, dunkle Schicht an der Oberfläche.
    »Das sind die Würmer«, sagte er.
    »Gehen wir mal in die Vergrößerung«, sagte Suess.
    Ein Ausschnitt der Eisoberfläche erschien. Die Würmer waren nun einzeln zu erkennen. Suess zoomte weiter auf, bis ein einzelnes Exemplar den Bildschirm fast ausfüllte. Es war grob stilisiert, einzelne Körperpartien grell eingefärbt.
    »Das Rote sind Schwefelbakterien«, erläuterte Yvonne Mirbach. »Das Blaue Archäen.«
    »Endo- und Ektosymbionten«, murmelte Bohrmann. »Der Wurm steckt voller Bakterien, und sie siedeln auf ihm.«
    »Genau. Es sind Konsortien. Bakterien mehrerer Arten, die zusammenarbeiten.«
    »Das war den Leuten, die Johanson hinzugezogen hatten, übrigens auch schon klar geworden«, fügte Suess hinzu. »Sie haben zentimeterdicke Gutachten über die symbiotische Lebensweise des Wurms verfasst. Aber sie haben nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen. Keiner hat sich die Frage gestellt, was diese Konsortien eigentlich tun. – Wir sind die ganze Zeit davon ausgegangen, dass die Würmer das Eis destabilisieren, obwohl uns klar war, dass sie es gar nicht können. Aber es sind nicht die Würmer.«
    »Die Würmer sind nur Transporter«, sagte Bohrmann.
    »So ist es.« Suess klickte ein Symbol an. »Hier hast du die Antwort auf euren Blowout.«
    Der stilisierte Wurm begann sich zu bewegen. Die Darstellung warsehr grob angelegt worden in der Kürze der Zeit. Es war eher eine Abfolge von Einzelbildern als ein Trickfilm. Die zangenartigen Kiefer klappten aus, und der Wurm begann sich ins Eis zu bohren.
    »Jetzt pass auf.«
    Bohrmann starrte auf die Bilder. Suess hatte die Darstellung wieder aufgezoomt. Mehrere Tiere waren zu sehen, die ihre Körper ins Hydrat trieben. Dann plötzlich ...
    »Mein Gott!«, sagte Bohrmann.
    Es herrschte atemlose Stille.
    »Wenn das überall am Kontinentalhang so läuft....«, begann Sahling.
    »Tut es«, sagte Bohrmann tonlos. »Wahrscheinlich sogar zeitgleich. Mist, wir hätten schon an Bord der Sonne darauf kommen können. Die Hydratbrocken waren von Bakterien regelrecht verschleimt.«
    Er hatte ungefähr erwartet, was er nun sah. Er hatte es befürchtet und zugleich gehofft, er möge sich irren. Aber die Wirklichkeit war noch viel schlimmer – wenn es die Wirklichkeit war.
    »Was hier im Einzelnen geschieht, ist eigentlich

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