Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
Frank gesagt hatte, der taayii hawil der Tla-o-qui-aht:
    Vielleicht sind gar nicht die Wale das Problem, Leon. Vielleicht sind sie nur der Teil des Problems, den wir sehen.
    Offenbar hatte Frank damit den Nagel auf den Kopf getroffen, wenngleich Anawak noch ratloser geworden war, nachdem Delaware ihm die Resultate ihrer ersten ausgiebigen Recherche vorgelegt hatte. Sie hatte in südamerikanischen Netzen gestöbert, in deutschen und skandinavischen, französischen und japanischen, sie war in Australien rumgesurft. Wie es aussah, machte man anderenorts ähnlich verstörende Erfahrungen mit Quallen.
    »Quallen?« Shoemaker hatte zu lachen begonnen. »Was tun sie? Springen sie gegen Schiffe?«
    Im ersten Moment hatte auch Anawak keinen Zusammenhang gesehen. Was sollte das für ein Problem sein, das sich in Gestalt von Walen und Quallen manifestierte? Womöglich wiesen Invasionen hoch giftiger Nesseltiere Schnittmengen mit Walattacken auf, die vordergründig verborgen blieben. Zwei Symptome desselben Problems. Eine Kumulation der Anomalien. Delaware stieß auf eine Stellungnahme costaricanischer Wissenschaftler, die der Vermutung Ausdruck gaben, es sei gar nicht die Portugiesische Galeere, die vor Südamerika ihr Unwesen treibe, sondern eine ähnliche, bislang unbekannte Art, noch gefährlicher, noch tödlicher.
    Und das war längst nicht alles.
    »Ungefähr zu der Zeit, als es hier mit den Walen losging, verschwanden vor Südamerika und Südafrika Schiffe«, resümierte Delaware. »Motorboote und Kutter. Man hat ein paar Trümmer gefunden, sonst nichts. Wenn du jetzt eins und eins zusammenzählst ...«
    »Bekommst du einen Haufen Wale«, sagte Shoemaker. »Warum erfährt man so was hier nicht? Ist Kanada denn aus der Welt?«
    »Wir interessieren uns nun mal nicht sonderlich für die Probleme anderer Länder«, konstatierte Anawak. »Wir nicht, und die Vereinigten Staaten noch viel weniger.«
    »Es gab jedenfalls mehr Unglücke mit größeren Schiffen«, sagte Delaware, »als wir aus den Medien erfahren haben. Kollisionen, Explosionen, Untergänge. Und wisst ihr, was außerdem seltsam ist? Diese Epidemie in Frankreich. Irgendwelche Algen in Hummern haben sie ausgelöst, und jetzt breitet sich da in Windeseile ein Erreger aus, den sie nicht in den Griff bekommen. Ich glaube, auch andere Länder sind betroffen. Aber je mehr du nachforschst, desto verschwommener wird das Bild.«
    Mitunter rieb sich Anawak die Augen und dachte, dass sie drauf und dran waren, sich lächerlich zu machen. Sie wären nicht die Ersten, die des Amerikaners liebstem Kind nachhingen, der Verschwörungstheorie. Jeder vierte US-Bürger trug solche Hirngespinste mit sich herum. Es gab Theorien, Bill Clinton sei ein russischer Agent gewesen, und eine Menge Leute handelte mit Ufo-Geschichten. Alles blanker Unsinn. Welches Interesse sollte ein Staat haben, Ereignisse zu camouflieren, die Tausende von Menschen betrafen? Abgesehen davon, dass es schlicht unmöglich schien, so etwas überhaupt geheim zu halten.
    Auch Shoemaker gab seiner Skepsis Ausdruck: »Das ist nicht Roswell hier. Es sind keine grünen Männchen vom Himmel gefallen, und nirgendwo sind fliegende Untertassen versteckt. Wir haben zu viel Harrison Ford geguckt. Den ganzen Verschwörungskram gibt's nur im Kino. Wenn heute irgendwo Wale auf Schiffe springen, weiß das morgen die ganze Welt, und was anderswo passiert, erfährst du auch.«
    »Dann pass mal auf«, sagte Delaware. »Tofino hat 1200 Einwohner und besteht im Wesentlichen aus drei Straßen. Trotzdem ist es unmöglich, dass jeder über jeden ständig Bescheid weiß. Richtig?«
    »Na und?«
    »Ein einziger Ort ist schon zu groß, dass du alles mitkriegst. Erst recht ein ganzer Planet.«
    »Binsenweisheit. Der Verstand des Menschen ist ein Eimer, der schnell überläuft.«
    »Ich meine, eine Regierung kann Nachrichten nicht immer zurückhalten. Aber man kann ihre Bedeutung schmälern. Du sorgst eben dafür, dass die Berichterstattung nicht so üppig ausfällt. Das geht. Dann bleibt das meiste ohnehin im eigenen Land, und den Rest findest du in Randnotizen wieder. Wahrscheinlich hat alles, was ich aus dem Internet gefischt habe, sogar in den hiesigen Zeitungen gestanden undist im Fernsehen gekommen, und wir haben es einfach nicht mitgekriegt.«
    Shoemaker kniff die Augen zusammen.
    »So?«, sagte er unsicher.
    »Wie auch immer«, beschied Anawak. »Wir brauchen mehr Informationen.« Er stocherte mürrisch in seinen Rühreiern herum und

Weitere Kostenlose Bücher