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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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schob sie über den Teller. »Das heißt, wir haben ja welche. Li hat welche. Ich bin sicher, sie weiß eine ganze Menge mehr als wir.«
    »Dann frag sie«, sagte Shoemaker.
    Anawak hob die Brauen. »Li?«
    »Warum denn nicht? Wenn du was wissen willst, geh fragen. Alles, was du dir einfangen kannst, ist ein Nein und was auf die Zähne, aber mal ehrlich – schlechter als jetzt kannst du doch gar nicht dastehen.«
    Anawak schwieg und grübelte vor sich hin.
    Er würde keine Auskunft bekommen. Ford bekam auch keine, und er fragte sich die Seele aus dem Leib.
    Andererseits war Shoemakers Idee gar nicht so dumm. Man konnte auch Fragen stellen, ohne dass es der Befragte merkte.
    Vielleicht wurde es einfach Zeit, sich die Antworten zu holen.
    Später, als Shoemaker gegangen war, legte ihm Delaware eine Ausgabe der Vancouver Sun auf den Tisch.
    »Ich wollte damit warten, bis Tom gegangen ist«, sagte sie.
    Anawak warf einen Blick auf die Titelseite. Es war die Ausgabe vom Vortag.
    »Hab ich gelesen.«
    »Komplett?«
    »Nein, nur das Wesentliche.«
    Delaware lächelte. Obwohl Anawak sich in den letzten Tagen nicht eben durch Höflichkeit und Rücksichtnahme, geschweige denn durch gute Laune ausgewiesen hatte, war sie wirklich nett zu ihm. Die Frage nach seiner Herkunft hatte sie seit ihrer Unterhaltung in der Station nicht wieder angeschnitten. »Dann lies das Unwesentliche.«
    Anawak drehte die Zeitung um. Sofort sah er, was sie meinte. Es war eine kleine Meldung, nur wenige Zeilen. Dazu ein Foto mit einer glücklichen Familie, Vater, Mutter und ein Junge, die dankbar zu einem sehr großen Mann aufsahen. Der Vater schüttelte dem Mann die Hand, und alle lachten in die Kamera.
    »Nicht zu fassen«, murmelte Anawak.
    »Du kannst es drehen und wenden, wie du willst«, sagte Delaware. Ihre Augen funkelten. Heute funkelten sie hinter gelben Gläsern,deren Ränder mit Kreuzen aus Strass verziert waren. »Aber ein solches Arschloch scheint er nicht zu sein.«
    Der kleine Bill Sheckley (5), der am 11. April als Letzter von Bord des sinkenden Ausflugsschiffs Lady Wexham gerettet worden war, kann wieder lachen. Heute holten ihn seine erleichterten Eltern aus dem Krankenhaus in Victoria ab, wo er eine Weile zur Beobachtung geblieben war. Bill hatte sich bei der Rettungsaktion eine gefährliche Unterkühlung und als Folge davon eine Lungenentzündung zugezogen. Dies sowie den Schock hat er nun offenbar verarbeitet. Heute bedankten sich seine Eltern vor allem bei Jack »Greywolf« O'Bannon, einem engagierten Naturschützer Vancouver Islands, der die Rettungsaktion geleitet und sich danach rührend um die Genesung des kleinen Bill gekümmert hatte. Der Held von Tofino, wie O'Bannon seitdem genannt wird, hat wohl nicht nur im Herzen des kleinen Jungen seinen Platz gefunden.
    Anawak klappte die Zeitung zusammen und warf sie auf den Frühstückstisch.
    »Shoemaker wäre ausgerastet«, sagte er.
    Eine Weile sagte niemand etwas. Anawak sah den langsam ziehenden Wolken zu und versuchte, seine Wut auf Greywolf anzufachen, aber diesmal klappte es nicht. Wut empfand er nur gegen die Leute, die seine und Fords Arbeit behinderten, gegen diese arrogante Soldatin und aus unerklärlichen Gründen gegen sich selber.
    Genau genommen gegen sich am meisten.
    »Was habt ihr eigentlich alle für ein Problem mit Greywolf?«, fragte Delaware schließlich.
    »Du hast doch gesehen, was er gemacht hat.«
    »Die Aktion, als sie mit Fischen schmissen? Gut, das ist eine Sache. Er übertreibt. Man könnte auch sagen, er hat ein Anliegen.«
    »Greywolfs Anliegen ist es, Stunk zu machen.« Anawak fuhr sich über die Augen. Obwohl es früher Vormittag war, fühlte er sich schon wieder müde und kraftlos.
    »Versteh mich nicht falsch«, sagte Delaware vorsichtig. »Aber der Mann hat mich aus dem Wasser gezogen, als ich schon dachte, das wär's gewesen mit der kleinen Licia. Ich bin vor zwei Tagen losgegangen, um ihn zu suchen. Zu Hause war er nicht. Er hockte am Tresen einer Kneipe in Ucluelet, also bin ich hin und habe ... na ja, wie ich schon sagte: Ich habe mich bedankt.«
    »Und?«, fragte Anawak lustlos. »Was hat er gesagt?«
    »Er hatte es nicht erwartet.«
    Anawak sah sie an.
    »Er war ziemlich verblüfft«, fuhr Delaware fort. »Und erfreut. Dann wollte er wissen, wie es dir geht.«
    »Mir?«
    »Weißt du, was ich glaube?« Sie verschränkte die Arme auf der Tischplatte. »Ich denke, dass er wenig Freunde hat.«
    »Vielleicht sollte er sich mal fragen,

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