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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Küsten der nördlichen Meere lag, würde im Mahlstrom versinken. Der Tsunami, wo immer er entstanden war, breitete sich in diesem Augenblick ringförmig aus, wie es der Natur von Impulswellen entsprach. Seine zerstörerische Wucht würde bis nach Norwegen reichen, bis nach Holland, Deutschland, Schottland und Island. Schockartig wurde ihm bewusst, welche Katastrophe sich da ereignete, und er krümmte sich, als habe ihm jemand ein glühendes Eisen in den Unterleib gestoßen.
    Ihm fiel ein, wer gerade in Sveggesundet war.
     
     
    Sveggesundet, Norwegen
    Man konnte den Gebrüdern Hauffen einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen, fand Lund. Sie taten weiß Gott alles, um sie zum Bleiben zu bewegen. Sie verstiegen sich sogar zu der Aussage, beide weit bessere Liebhaber zu sein als Kare Sverdrup, wobei sie einander in die Seiten stießen und zuzwinkerten, und Lund musste noch einen Schnaps mit ihnen trinken, bevor sie endlich einwilligten, sie ziehen zu lassen.
    Sie sah auf die Uhr. Wenn sie jetzt losginge, käme sie pünktlich ins Fiskehuset. So pünktlich, dass es fast schon peinlich war, fand sie plötzlich. Wer so pünktlich ist, hat's nötig. Ein paar Minuten Verspätung würden sie womöglich souveräner dastehen lassen.
    Blöde Kuh.
    Aber sie musste ja nicht ins Fiskehuset hetzen.
    Die beiden Alten bestanden auf einer Umarmung. Sie sei die Richtige für Kare, schworen sie, eine, die nicht reinspuckt, wenn guter Aquavit serviert wird. Lund musste diverse Komplimente, Witzeleien und gute Ratschläge über sich ergehen lassen, bis einer der beiden sie schließlich aus dem Keller nach oben brachte. Er öffnete ihr die Haustür, sah den schräg herniederprasselnden Regen und befand, ohne Schirm könne sie da nicht rausgehen. Vergebens bemühte sie sich, ihm klar zu machen, dass sie bei Regen grundsätzlich ohne Schirm nach draußen ging. Dass es zu ihrem Beruf gehörte, sich bei jedem Wetter im Freien herumzutreiben. Ebenso gut hätte sie sich mit dem Fußbodenunterhalten können. Der Alte ging einen Schirm holen. Es folgte eine neuerliche Umarmung, dann endlich war sie der Fürsorge der Schnapsbrenner entkommen und stapfte durch den Regen zurück in Richtung Restaurant, den geschlossenen Schirm in der Rechten.
    Das kann ja heiter werden, dachte sie.
    Der Himmel war noch schwärzer geworden, und der Wind blies mit zunehmender Heftigkeit. Sie ging schneller. Hatte sie nicht eben noch vorgehabt, sich Zeit zu nehmen? Du kannst einfach nichts langsam machen, dachte sie. Johanson hat vollkommen Recht. Du lebst ständig auf Vollgas.
    Na, wenn schon. So war sie eben, und außerdem wollte sie jetzt endlich zu dem Mann, den sie beschlossen hatte zu lieben.
    Von irgendwoher erklang ein leises Signal. Sie blieb stehen. Das war ihr Handy! Er rief an! Verdammt, seit wann schellte es schon? Atemlos zog sie den Reißverschluss ihrer Jacke herunter und fingerte im Innern nach dem Telefon. Wahrscheinlich hatte er schon mehrfach angerufen, aber in dem Keller dürfte sie kaum Empfang gehabt haben.
    Da war es. Sie zerrte es hervor und meldete sich in Erwartung, Kares Stimme zu hören.
    »Tina?«
    Sie stutzte.
    »Sigur. Oh, das ist... das ist schön, dass du anrufst, ich ...«
    »Wo warst du denn, verdammt? Ich versuche die ganze Zeit, dich zu erreichen.«
    »Tut mir Leid, ich ...«
    »Wo bist du jetzt?«
    »In Sveggesundet«, sagte sie zögernd. Seine Stimme klang atmosphärisch verzerrt, und offenbar sprach er gegen irgendein lautes Dröhnen an, aber da war noch etwas anderes. Etwas, das sie nie zuvor an ihm gehört hatte und das ihr Angst machte. »Ich gehe am Strand entlang, es ist ein widerliches Dreckswetter, aber du kennst mich ja ...«
    »Hau ab!«
    »Was?«
    »Du sollst machen, dass du da wegkommst.«
    »Sigur! Bist du noch bei Trost?«
    »Jetzt, sofort.« Er redete weiter, atemlos. Die Worte prasselten auf sie ein wie der Regen, immer wieder gestört durch atmosphärisches Krachen und Rauschen, sodass sie erst glaubte, sich verhört zu haben. Dann begriff sie allmählich, was er ihr erzählte, und ihre Beine schienen sich für einen Moment in Gummi zu verwandeln.
    »Ich weiß nicht, wo das Epizentrum liegt«, plärrte sein Stimme. »Offenbar braucht die Welle länger bis zu euch, aber egal, dir bleibt keine Zeit. Hau ab, um Gottes willen, mach, dass du da wegkommst!«
    Sie starrte hinaus aufs Meer.
    Der Sturm trieb flockige Brandung vor sich her.
    »Tina?«, schrie Johanson.
    »Ich ... okay.« Sie sog den Atem ein,

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