Der Schwarm
neue Qualität gewonnen. Bis jetztsind nur Taucher angegriffen worden, aber noch keine Unterseeboote, Sonden oder Roboter.«
»Konnten wir irgendwas Verdächtiges erfassen?«
»Nicht direkt. Feindliche Sonden oder Tauchboote waren nicht aufzuspüren, aber das NOAA-Schiff hat in siebenhundert Metern Tiefe eine sich bewegende Fläche von mehreren Kilometern Ausdehnung erfasst. Der Forschungsleiter meint, zu neunzig Prozent habe es sich um einen Planktonschwarm gehandelt, aber er würde es nicht beschwören.«
Li nickte. Sie dachte an Johanson. Fast bedauerte sie, dass er nicht hier war, um Vanderbilts Ausführungen zuzuhören.
»Zweiter Punkt, Tiefseekabel. Weitere Verbindungen sind abgerissen, CANTAT-3 und einige TAT-Kabel. Alles wichtige Verbindungen über den Atlantik. Im Pazifik haben wir offenbar PACRIM WEST verloren, eine unserer Hauptverbindungen nach Australien. – Es gab außerdem in den letzten beiden Tagen mehr Schiffsunglücke denn je, und alle in dicht befahrenen Gebieten. Von den rund 200 maritimen Nadelöhren, die wir kennen, sind rund die Hälfte betroffen, insbesondere die Straße von Gibraltar, die Malakkastraße und der englische Kanal, aber auch der Panama-Kanal hat was abgekriegt und ... nun ja, es ist geschehen, aber wir sollten das vielleicht nicht überbewerten: Es gab eine Karambolage in der Straße von Hormuz und eine weitere bei Khalij as-Suways, das ist... ähm ...«
Li beobachtete Vanderbilt. Er wirkte weniger zynisch und überheblich als sonst, und soeben wurde ihr bewusst, warum.
»Ich weiß, wo das ist«, sagte sie. »Khalij as-Suways ist der Ausläufer des Roten Meers, der in den Suezkanal mündet. Das heißt, die arabische Welt ist an zwei wichtigen Verkehrsknotenpunkten getroffen worden.«
»Bingo, Baby. Es gab Probleme mit der Navigation. Was Neues übrigens. Die Rekonstruktion ist schwierig, aber in der Straße von Hormuz sieht es so aus, als seien sieben Schiffe ineinander gerasselt, weil mindestens zwei von ihnen nicht mehr wussten, wo sie hinfahren. Logge und Echolot lieferten keine Daten mehr.«
An Bord eines jeden Schiffes gab es vier lebenswichtige Systeme: Echolot, Logge, Radar und Windmesser. Während Radar und Windmesser oberhalb der Wasserlinie arbeiteten, saß das Austrittsfenster des Echolots am Kiel, ebenso wie die Logge, ein Staurohr mit integriertem Fühler, der das hereinströmende Fahrtwasser maß. Die Logge war so etwas wie das Tachometer eines Schiffs. Sie informierte die Radarsysteme an Bord über Kurs und Geschwindigkeit des Schiffes, und der Radar errechnete auf dieser Basis die Kollisionsgefahr mit Schiffen in derNähe und bot Ausweichkurse an. Im Allgemeinen folgte man blind den Instrumenten. Blind, weil sich 70 Prozent der Seefahrt bei Nacht, Nebel oder hoher See abspielten, wo ein Blick aus dem Fenster nichts brachte.
»In einem der Fälle haben offenbar marine Organismen die Logge verstopft«, sagte Vanderbilt. »Sie zeigte keine Fahrt mehr an, was den Radar veranlasste, keine Kollisionsgefahr zu melden, obwohl drum herum alles dicht befahren war. Im anderen Fall spielte das Echolot verrückt und meldete abnehmende Wassertiefe. Sie mussten davon ausgehen aufzulaufen, obwohl sie tatsächlich in tiefem Gewässer fuhren, und vollführten eine vollkommen idiotische Kurskorrektur. Beide knallten in andere Schiffe, und weil es so schön dunkel war, fuhren gleich noch ein paar weitere rein ins Vergnügen. Anderswo auf der Welt kommt es zu ähnlichen Scherzen. Jemand will beobachtet haben, dass Wale dicht unter den Schiffen geschwommen sind, über einen langen Zeitraum.«
»Natürlich«, sinnierte Li. »Wenn über längere Zeit etwas Großes dicht unter dem Echolot-Austritt bleibt, könnte man es leicht mit festem Untergrund verwechseln.«
»Außerdem häufen sich Fälle von Verkrustungen im Ruder und in Seitenstrahlern. Seekästen werden verstopft, immer gezielter. Vor Indien ist aktuell ein Erzfrachter abgesoffen, nachdem wochenlanger Bewuchs offenbar zu außergewöhnlich rascher Korrosion geführt hat. Bei ruhiger See kollabierte der vordere Laderaum. Sank innerhalb von Minuten. Und so weiter und so fort. Es reißt nicht ab. Alles wird ständig schlimmer, und die Seuche kommt obendrauf.«
Li legte die Fingerspitzen aufeinander und brütete vor sich hin.
Einfach lächerlich. Aber bei genauem Hinsehen waren Schiffe nun mal lächerlich. Peak hatte es auf den Punkt gebracht. Archaische Kästen, die mit Hightech navigierten und Kühlwasser durch ein
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