Der Schwarm
sobald die Pfiesterien ins Wasser gelangen, und sie vermehren sich exponenziell, wenn die Krabben schon lange hinüber sind. Bis auf eine waren alle krepiert, und die ist inzwischen auch von uns gegangen.«
»Kamikaze-Krabben«, sinnierte Anawak.
»Ihre Aufgabe ist es, Bakterien an Land zu bringen, so wie es die Aufgabe der Würmer ist, Bakterien ins Eis zu tragen«, sagte Johanson. »Danach verrecken sie. Quallen, Muscheln, selbst diese Gallerte, nichts davon überdauert sonderlich lange, aber alles erfüllt seinen Zweck.«
»Der da wäre, uns zu schädigen.«
»Richtig. Auch die Wale haben eher was von Selbstmordattentätern«, sagte Fenwick. »Angriffe sind gewöhnlich Teil einer Überlebensstrategie, ebenso wie Flucht. Aber nirgendwo wird eine solche Strategie ersichtlich.«
Johanson lächelte. Seine schwarzen Augen blitzten.
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Einer verfolgt hier ganz klar eine Überlebensstrategie.«
Fenwick musterte ihn. »Sie klingen fast schon wie Vanderbilt.«
»Nein. Das scheint nur so. In einigem hat Vanderbilt Recht, ansonsten bin ich ganz anderer Meinung.« Johanson machte eine Pause. »Aber ich gehe jede Wette ein, Vanderbilt wird schon bald genauso klingen wie ich.«
Li
»Was soll das heißen?«, wollte Li wissen, während sie sich setzte. »Wo ist der Präsident, wenn nicht in Washington?«
»Er ist auf dem Weg zur Offutt Air Force Base in Nebraska«, sagte Vanderbilt. »Es sind Krabbenschwärme in der Chesapeake Bay und im Potomac aufgetaucht. Offenbar treiben sie den Meerarm hoch. Bei Alexandria und unterhalb von Arlington sollen welche an Land gelangt sein, aber wir haben noch keine Bestätigung erhalten.«
»Und wer hat Offutt angeordnet?«
Vanderbilt zuckte die Achseln. »Der Stabschef im Weißen Haus hegt Befürchtungen, die Hauptstadt könne das gleiche Schicksal wie New York erleiden«, sagte er. »Sie kennen ja den Präsidenten. Er hat sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Am liebsten würde er losziehen und den hässlichen Biestern persönlich den Krieg erklären, aber am Ende hat er eingewilligt ins gesunde Landleben.«
Li überlegte. Offutt war der Sitz des Strategic Command, das über die Atomwaffen der Vereinigten Staaten gebot. Der Stützpunkt war ideal, um den Präsidenten zu schützen. Er lag mitten im Landesinnern, weit weg von allen Gefährdungen, die aus dem Meer kamen. Von dort konnte der Präsident über eine abhörsichere Videoverbindung mit seinem Nationalen Sicherheitsrat telefonieren und seine volle Regierungsgewalt ausüben.
»Das ist schlampig gelaufen«, sagte sie mit Nachdruck. »So was will ich demnächst sofort erfahren, Jack. Wenn irgendwo irgendwas seinen Kopf aus dem Meer steckt, will ich es wissen. Nein, ich will es wissen, bevor es seinen Kopf aus dem Meer steckt.«
»Wir können das hinkriegen«, sagte Vanderbilt. »Wir könnten diplomatische Beziehungen zu den ortsansässigen Delphinen aufnehmen und ...«
»Außerdem will ich in Kenntnis gesetzt werden, wenn jemand auf die Idee kommt, den Präsidenten nach Offutt zu schicken.«
Vanderbilt lächelte jovial.
»Wenn ich einen Vorschlag machen darf ...«
»Und ich will Klarheit darüber, was in Washington passiert«, fiel ihm Li ins Wort. »Und zwar innerhalb der nächsten zwei Stunden. Falls sich die Meldung bestätigt, evakuieren wir die befallenen Gebiete und verwandeln Washington in eine Sperrzone wie New York.«
»Das wäre mein Vorschlag gewesen«, sagte Vanderbilt milde.
»Dann sind wir uns einig. Was haben Sie sonst für mich?«
»Einen Haufen Scheiße.«
»Das bin ich gewöhnt.«
»Eben. Ich wollte Sie nicht entwöhnen, also habe ich mich bemüht, möglichst viele schlechte Nachrichten zusammenzutragen. Beginnen wir damit, dass die NOAA am Kontinentalhang vor der Georges Bank versucht hat, zwei Roboter hinunterzulassen, um Würmer zu weiteren Forschungszwecken heraufzuholen. Das ... ähm ... ist gelungen.«
Li hob die Brauen und lehnte sich abwartend zurück.
»Also, es ist gelungen, die Tiere einzusammeln«, sagte Vanderbilt, indem er jedes Wort genüsslich dehnte. »Aber nicht, sie an Bord zu bringen. Kaum waren sie im Körbchen, kam etwas und kappte die Verbindung. Wir haben beide Roboter verloren. Ähnliche Nachrichten erreichen uns aus Japan. Dort ist ein bemanntes Tauchboot verloren gegangen, irgendwo im Gebiet vor Honshu und Hokkaido. Auch sie sollten Würmer mitbringen. Die Japaner sagen, es sind mehr geworden. Insgesamt hat die Sache eine
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