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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Killeralgen. Anawak war dankbar für die Abwechslung. Shoemaker erzählte Geschichten aus den Anfangstagen von Davies. Sie lachten und schwatzten und genossen den milden Abend, streckten die Beine aus und sahen hinaus aufs schwarze Wasser der Bucht.
    Etwa um zwei hatte sich Anawak verabschiedet. Delaware war geblieben. Sie und Shoemaker hatten sich an alten Kinofilmen festgebissen und eine weitere Flasche Wein aufgemacht. Allmählich begaben sie sich auf eine alkoholisierte Daseinsebene, also trank er ein letztes Wasser, bedankte sich und ging die nächtliche Hauptstraße entlang zur Station. Dort schaltete er den Computer ein und loggte sich ins Internet.
    Nach wenigen Minuten hatte er Professor Dr. Kurzweil gefunden.
    Im Morgengrauen begann sich ein Bild abzuzeichnen.

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    12. Mai
    Chateau Whistler, Kanada
    Möglicherweise, dachte Johanson, ist das der Wendepunkt.
    Oder ich bin ein alter Spinner.
    Er stand auf dem kleinen Podium links von der Projektionsfläche. Der B eamer war ausgeschaltet. Sie hatten einige Minuten auf Anawak warten müssen, der in Tofino übernachtet hatte, aber jetzt waren sie vollzählig. In der vordersten Reihe saßen Peak, Vanderbilt und Li. Peak wirkte erschöpft. Er war in der Nacht aus New York zurückgekehrt und sah aus, als habe er dort den größten Teil seiner Kraft gelassen.
    Johanson, der sein halbes Leben in Hörsälen verbracht hatte, war es gewohnt, zu anderen Menschen zu sprechen. Hin und wieder hatte er dem Schulwissen eigene Erkenntnisse und Hypothesen hinzugefügt und in Kauf genommen, sich mit echten und selbst ernannten Fachleuten darüber zu streiten. Ansonsten waren Hörsäle sicheres Terrain. Man gab weiter, was andere herausgefunden hatten, und fragte es ab.
    An diesem Morgen machte er die unerwartete Erfahrung des Selbstzweifels. Wie sollte er seine Theorie erzählen, ohne dass gleich alle vor Lachen von den Stühlen fielen? Li hatte eingeräumt, er könne Recht haben. Das war schon eine ganze Menge. Mit etwas vorsichtigem Optimismus ließ sich sogar sagen, dass sie seinen Gedankengängen zu folgen bereit war. Aber Reste von Unsicherheit, ob er es richtig machen oder verpatzen würde, gärten in ihm und führten dazu, dass er den größten Teil der Nacht damit verbracht hatte, seinen Vortrag wieder und wieder umzuschreiben. Johanson gab sich keinen Illusionen hin. Er hatte nur diesen einen Schuss. Entweder nahm er die anderen in einem Überraschungsangriff für sich ein, oder sie erklärten ihn für durchgeknallt.
    Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Es herrschte Totenstille.
    Er warf einen Blick auf das oberste Blatt seines Manuskripts. Die Hinleitung war ausführlich. Jetzt, nach drei Stunden Schlaf, erschien sie ihm plötzlich unverständlich und kompliziert. Sollte er das wirklich so vortragen? In der Nacht war er zufrieden damit gewesen, als ihm die Augen brannten und er vor lauter Müdigkeit kaum noch klar denken konnte. Aber genau so las es sich jetzt. Durch tausend Untiefen quälte sich die Argumentation. Ein rhetorischer Schlingerkurs.
    Johanson zögerte.
    Dann legte er das Manuskript beiseite.
    Augenblicklich fühlte er eine ungeheure Erleichterung, als habe der dünne Stapel Papier Tonnen gewogen. Seine Selbstsicherheit kehrte zurück wie eine kampfbereite Kavallerie, mit wehender Fahne und Fanfarenstößen. Er trat einen Schritt vor, sah in die Runde, versicherte sich der Aufmerksamkeit eines jeden Einzelnen und sagte:
    »Es ist ganz einfach. Die Konsequenzen werden uns schreckliches Kopfzerbrechen bereiten, aber im Grundsatz ist es wirklich simpel und nahe liegend. Wir erleben keine Naturkatastrophe. Ebenso wenig haben wir es mit terroristischen Vereinigungen oder Schurkenstaaten zu tun. Auch die Evolution spielt nicht verrückt. Nichts von alledem trifft zu.« Er machte eine Pause. »Etwas völlig anderes geschieht. Wir werden in diesen Tagen Zeuge des viel beschriebenen Krieges zwischen den Planeten. Zwei Planeten, die wir nur als solche nicht erkennen, weil sie zu einem verschmolzen sind. Während wir nach oben geschaut haben in Erwartung fremder Intelligenzen aus dem All, zeigen sie sich nun als Teil unserer Welt, den wir uns nie wirklich zu verstehen bemüht haben. Zwei grundverschiedene Systeme intelligenten Lebens koexisitieren auf diesem Planeten, die einander bis heute in Ruhe gelassen haben. Aber während das eine System um die Entwicklung des anderen wusste, hat das andere bis heute keinerlei Vorstellung von der Komplexität der Welt

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