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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Breitflächig und dunkel, mit mongolisch geschnittenen Augen. Draußen verschwanden riesige, voll gepackte Paletten, festgezurrt mit Packnetzen, im Bauch der Canadian North Airlines Boeing 737, eine nach der anderen. Noch während sie von den Hebebühnen geschoben wurden, erging der Aufruf an die Passagiere. Sie überquerten das Flugfeld zu Fuß und betraten die Maschine über die Leiter unter dem Heck. Die Sitzreihen waren auf das vordere Drittel beschränkt, alles andere hatte dem Stauraum weichen müssen.
    Seit über zwei Stunden war Anawak nun wieder unterwegs. Von Zeit zu Zeit ruckelte es leicht. Den größten Teil der Strecke waren sie über dichte Wolkenfelder geflogen. Jetzt, kurz vor der Hudson Strait, schoben sich die aufgetürmten Massen auseinander und legten die schwarzbraune Tundralandschaft unter ihnen frei, bergig und zerklüftet, gefleckt von Schneefeldern und immer wieder durchbrochen von Seen, auf denen große Eisschollen trieben. Dann kam die Küste in Sicht. Die Hudson Strait schob sich unter sie, und Anawak spürte, wie er die letzte Grenze überschritt. Ein wildes Durcheinander von Gefühlen brach über ihn herein und riss ihn aus seiner Dösigkeit. In jedem Vorhaben gab es einen point of no return. Streng genommen war Montreal dieser Punkt gewesen, aber symbolisch war es die Hudson Strait. Jenseits der Wasserstraße begann die Welt, in die er nie wieder hatte zurückkehren wollen.
    Anawak war unterwegs in das Land seiner Geburt, in seine Heimat am Saum des Polarkreises, nach Nunavut.
    Er sah weiter hinaus und versuchte, jedes Denken auszuschalten. Nach einer weiteren halben Stunde überflogen sie wieder Land, dann eine gleißende, eisüberzogene Fläche, die Frobisher Bay im Südosten von Baffin Island. Die Maschine legte sich in eine Rechtskurve und ging schnell tiefer. Ein knallgelbes Gebäude mit einem gedrungenen Lotsenturm kam ins Bild. In die hügelige, dunkle Landschaft gekauert, wirkte es wie der menschliche Außenposten auf einem fremden Planeten, aber es war nur der Flughafen von Iqaluit, der »Schule der Fische«, Nunavuts Hauptstadt.
    Die Boeing setzte auf und rollte langsam aus.
    Anawak musste nicht lange auf die Gepäckausgabe warten. Er nahm seinen hoch gepackten Rucksack in Empfang und schlenderte durch die Abfertigungshalle. Eine Ausstellung warb für Inuit-Kunst mit Wandbehängen und Specksteinskulpturen. In der Mitte der Halle gewahrte er eine überlebensgroße Figur, kompakt, mit Stiefeln undtraditioneller Kleidung angetan, eine flache Trommel mit der Rechten hoch über den Kopf erhoben, in der anderen Hand den Klöppel. Der steinerne Trommler hatte den Mund im Gesang weit geöffnet. Er strahlte Spannkraft und Selbstvertrauen aus. Anawak blieb einen Moment davor stehen und las die Inschrift unter der Skulptur: Wo immer Menschen aus der Arktis aus besonderem Anlass zusammenkommen, finden Trommeltanz und Throat Singing statt. Dann trat er zum Abfertigungsschalter der First Air und gab seinen Rucksack nach Cape Dorset auf. Die Frau, die das Gepäck in Empfang nahm, erklärte ihm, die Maschine werde mit einstündiger Verspätung abfliegen.
    »Vielleicht haben Sie ja noch was in der Stadt zu erledigen«, sagte sie freundlich.
    Anawak zögerte. »Eigentlich nicht. Ich kenne die Stadt kaum.«
    Sie sah ihn einigermaßen erstaunt an. Offenbar wunderte es sie, dass jemand, der dem Äußeren nach ein Inuk war, die Hauptstadt nicht kannte. Dann lächelte sie wieder.
    »Iqaluit hat einiges zu bieten. Sie sollten sich die Zeit nehmen. Gehen Sie ins Nunatta-Sunaqutangit-Museum, das schaffen Sie locker. Es gibt dort eine schöne Ausstellung über traditionelle und zeitgenössische Kunst.«
    »Oh ja ... natürlich.«
    »Oder ins Unikkaarvik-Besucherzentrum. Und machen Sie einen Abstecher zur anglikanischen Kirche. Sie sieht aus wie ein Iglu, die einzige Kirche der Welt, die aussieht wie ein Iglu!«
    Anawak betrachtete die Frau. Sie war eine Einheimische, klein, mit schwarzem Pony und Pferdeschwanz. Ihre Augen blitzten, als sich ihr Lächeln verbreiterte.
    »Ich hätte schwören können, Sie sind aus Iqaluit«, sagte sie.
    »Nein.« Einen Moment lang fühlte er sich versucht zu sagen, er stamme aus Cape Dorset, dann sagte er: »Vancouver. Ich komme aus Vancouver.«
    »Oh, ich liebe Vancouver!«, rief sie.
    Anawak sah sich um. Er fürchtete, den Verkehr aufzuhalten, aber offenbar war er der Einzige, der an diesem Tag weiterflog.
    »Sie waren schon mal dort?«
    »Nein, ich war noch nie so

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