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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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konventionelles Schlafgebaren erkennen. Beide atmeten ruhig, drehten sich im Verlauf der Nacht ein- bis zweimal um, und das war's.
    Johanson lag auf dem Rücken, die Arme weit von sich gestreckt, Handflächen nach außen. Nur die Betten in Flaggland und Offiziersland ließen derart raumgreifende Gewohnheiten zu. Die Pose war dem Norweger so sehr zu Eigen, dass ihn eine Verehrerin vor Jahren mitten in der Nacht geweckt hatte, nur um ihm zu sagen, er schlafe wie ein Großgrundbesitzer. Er hatte die Geschichte an einem Abend im Chateau zum Besten gegeben, und tatsächlich schlief er jede Nacht so – ein Mann, der noch mit geschlossenen Augen wirkte, als wolle er das Leben umarmen.
    Sie alle schliefen oder wachten auf einer Reihe glimmender Bildschirme. Jeder der Monitore überblickte eine komplette Kabine. ZweiMänner in Uniform saßen im Halbdunkel davor und beobachteten die Wissenschaftler. Hinter ihnen standen Li und der Stellvertretende CIA-Direktor.
    »Die reinsten Engelchen«, sagte Vanderbilt.
    Li sah mit unbewegter Miene zu, wie Delaware zum Höhepunkt kam. Der Ton war leise gestellt, trotzdem drang einiges von der Konzertierung des Liebesakts in die kühle Atmosphäre des Kontrollzentrums.
    »Freut mich, dass es Ihnen gefällt, Jack.«
    »Der kleine Muskelprotz da wäre mehr nach meinem Geschmack«, sagte Vanderbilt und zeigte auf Weaver. »Bemerkenswerter Arsch, finden Sie nicht?«
    »Verliebt?«
    Vanderbilt grinste. »Ich muss doch sehr bitten.«
    »Setzen Sie Ihren Charme ein«, sagte Li. »Immerhin haben Sie gut zwei Zentner davon.«
    Der CIA-Direktor tupfte sich den Schweiß von der Stirn. Sie sahen noch eine Weile zu. Wenn Vanderbilt Gefallen an dem Geschehen fand, sollte er sich ruhig amüsieren. Li war es gleichgültig, ob die Leute auf den Monitoren schnarchten, miteinander schliefen oder das Rad schlugen. Ihretwegen hätten sie sich mit den Füßen an die Decke hängen oder geifernd übereinander herfallen können.
    Hauptsache, man wusste, wo sie waren, was sie taten und was sie miteinander sprachen.
    »Weitermachen«, sagte sie und wandte sich ab. Im Hinausgehen fügte sie hinzu: »Und in alle Kabinen schauen.«

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    13. August
    Besuch
    Die Antwort blieb aus.
    Unablässig war die Nachricht ins Meer abgestrahlt worden, bislang ohne Ergebnis. Um 07.00 Uhr hatte sie der Weckruf aus den Kojen geworfen. Die meisten waren unausgeschlafen. Normalerweise lullten einen die Bewegungen des Riesenschiffes ein, und da keine Flugeinsätze stattfanden, drang vom Dach kein Lärm nach unten. Das CPS sorgte mit leichtem Brummen für angenehm gleich bleibende Temperaturen, und die Betten waren wirklich bequem. Hin und wieder ließen sich auf den Gängen Schritte vernehmen, wenn jemand von der Besatzung unterwegs war. Im Bauch des Schiffes hummelten leise die Generatoren. Man hätte wunderbar schlummern können, wäre da nicht diese Erwartungshaltung gewesen. So fanden die meisten nur zu halb wachen Grübeleien wie Johanson, der sich vorzustellen versuchte, was die Botschaft in den Tiefen der Grönländischen See auslösen mochte, bis ihn die wildesten Phantasien heimsuchten.
    Dass sie überhaupt vor Grönland lagen und nicht weiter südlich, verdankte sich seinem Plädoyer und der Unterstützung durch Weaver und Bohrmann. Anawak, Rubin und einige andere hatten vorgeschlagen, den Kontakt unmittelbar über den Vulkanketten des Mittelatlantischen Rückens zu suchen. Rubins entscheidendes Argument war die Ähnlichkeit der dort ansässigen Schlotkrabben mit den Krabben gewesen, die New York und Washington überfallen hatten. Zudem gab es sonst kaum Plätze in der Tiefsee, die Voraussetzungen für höher entwickeltes Leben boten. An den Vulkangräben hingegen waren sie ideal. Heißes Wasser trat aus meterhohen Felskaminen und förderte alle möglichen Mineralien und lebenswichtigen Stoffe zutage. Würmer, Muscheln, Fische und Krabben lebten dort unter Bedingungen, die sich durchaus mit denen auf einem fremden Planeten vergleichen ließen – warum also nicht auch die Yrr?
    Johanson hatte Rubin in den meisten Punkten Recht gegeben. Aber zwei Gründe sprachen gegen Rubins Vorschlag. Einer war, dass die Vulkanketten zwar den lebensfreundlichsten Bereich der Tiefsee darstellten, zugleich aber auch den lebensfeindlichsten – in kurzenAbständen brach sich flüssiges Gestein dort Bahn, wenn die ozeanischen Platten auseinander strebten. Es kam zu Eruptionen, in deren Verlauf die Biotope vollständig vernichtet wurden.

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