Der Schwarm
durch die See.
»Orcas«, sagte Anawak, als Johanson neben ihn trat.
»Was tun sie?«
Anawak kniff die Augen gegen den Eispartikelregen zusammen. »Seit etwa drei Stunden umkreisen sie das Schiff. Die Delphine haben sie gemeldet. Ich würde sagen, dass sie uns beobachten.«
Shankar kam aus der Insel gelaufen und gesellte sich an ihre Seite.
»Was ist los?«
»Jemand ist auf uns aufmerksam geworden«, sagte Crowe. »Vielleicht eine Antwort.«
»Auf unsere Botschaft?«
»Worauf denn sonst?«
»Komische Antwort auf eine Mathematikaufgabe«, meinte der Inder. »Ich würde ein paar handfeste Gleichungen bevorzugen.«
Die Orcas hielten respektvollen Abstand zum Schiff. Es waren viele. Hunderte, schätzte Johanson. Sie schwammen in gleichmäßigem Tempo und hoben von Zeit zu Zeit ihre schwarz glänzenden Rücken aus den Wellen. Das Ganze machte tatsächlich den Eindruck einer Patrouille.
»Könnten sie befallen sein?«, fragte er.
Anawak wischte sich Wasser aus den Augen.
»Möglich.«
»Sagt mal ...« Greywolf rieb sich das Kinn. »Wenn dieses Zeug ihre Hirne kontrolliert ... Habt ihr mal darüber nachgedacht, dass es uns dann auch sehen kann? Und hören?«
»Du hast Recht«, sagte Anawak. »Es nutzt ihre Sinnesorgane.«
»Eben. Auf diese Weise verschafft sich der Glibber Augen und Ohren.«
Sie starrten weiter hinaus.
»Wie auch immer.« Crowe zog an ihrer Zigarette und blies Rauch in die eisige Luft. Er trieb in Fetzen davon. »Sieht jedenfalls ganz so aus, als hätte es begonnen.«
»Was?«, fragte Li.
»Das Kräftemessen.«
»Auch gut.« Ein dünnes Lächeln umspielte Lis Lippen. »Wir sind für alles gerüstet.«
»Für alles, was wir kennen«, fügte Crowe hinzu.
Labor
Auf dem Weg nach unten – Rubin und Oliviera im Schlepptau – fragte sich Johanson, wann eine Psychose wohl begann, ihre eigene Wirklichkeit zu erzeugen.
Er hatte den Stein ins Rollen gebracht. Gut – wäre er nicht gewesen, hätte jemand anderer die Theorie aufgestellt. Jedenfalls schufen sie Fakten auf der Basis einer Hypothese. Ein Rudel Orcas umrundete die Independence, und sie sahen die Augen und Ohren von Aliens darin. Überall sahen sie Aliens. Als Folge wurden Botschaften ins Meer geschickt und Erwartungen an einen Kontakt geknüpft, der vielleicht nie zustande kommen würde, weil sie auf einen marinen Schimmelpilz hereingefallen waren.
Der fünfte Tag. Nur eine Phantasie, die sich selbständig gemacht hatte? Benahmen sie sich wie die Idioten?
Wir kommen nicht richtig weiter, dachte er frustriert. Irgendetwas muss geschehen. Etwas, das uns Gewissheit gibt, damit wir nicht von Theorien verblendet in die völlig falsche Richtung laufen.
Mit hallenden Schritten gingen sie die Rampe hinunter, passierten das Hangardeck und stiegen weiter hinab. Die Stahltür zum Laborraum war verschlossen. Johanson gab einen Zahlencode ein, und sie glitt mit leisem Zischen auf. Nacheinander schaltete er die Decken-und Standbeleuchtung ein. Kaltes weißes Licht überflutete die Arbeitsinseln. Vom Simulator drang das Summen der elektrischen Systeme herüber.
Sie erstiegen den Rundgang des Hochdrucktanks und traten vor das große, ovale Fenster. Von hier überblickte man den gesamten Beckenraum. Über den künstlichen Meeresboden verteilten sich im Licht der Innenscheinwerfer kleine weiße Körper mit Spinnenbeinen. Einige bewegten sich zögerlich und offenbar ohne Orientierung. Sie liefen im Kreis oder blieben nach wenigen Schritten wieder stehen, als sei ihnen nicht ganz klar, wohin sie eigentlich wollten. Je tiefer man in den Tank hineinsah, desto mehr trübte das Wasser den Blick auf Details. Nahaufnahmen lieferten Kameras im Innern und übertrugen sie auf die Monitore eines vorgelagerten Kontrollpults.
Ratlos betrachteten sie die Krabben.
»Viel hat sich nicht getan seit gestern«, bemerkte Oliviera.
»Nein, sie hocken da und geben uns Rätsel auf.« Johanson rieb sich den Bart. »Wir sollten ein paar öffnen und sehen, was passiert.«
»Krabben knacken?«
»Warum nicht? Dass sie unter hohem Druck weiterleben, wissen wir. Die Erkenntnis wird mit keinem Tag spannender.«
»Weitervegetieren«, korrigierte ihn Oliviera. »Wir haben nicht mal hinreichend geklärt, ob man das Leben nennen kann.«
»Das Zeug in ihrem Innern lebt«, sagte Rubin nachdenklich. »Der Rest ist nicht lebendiger als ein Auto.«
»Einverstanden«, sagte Oliviera. »Aber was ist mit diesem Innenleben? Warum unternimmt es nichts?«
»Was sollte es
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