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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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nebenan im CIC vorbeizuschauen. Greywolf und Delaware verbrachten dort große Teile ihrer Zeit mit der Beobachtung und Lautauswertung der Delphinstaffeln. Aber im CIC gab es nichts zu sehen als die Übertragungen der Rumpfkameras. Die Monitore zeigten dunkles Wasser. Wenig hatte sich getan, seit die Orcas am Morgen das Schiff umrundet hatten, und die Orcas waren fort, wie es schien. Shankar saß einsam mit einem Paar überdimensionaler Kopfhörer vor dem Monitor, über dessen Oberfläche Zahlenreihen huschten, und lauschte in die Tiefe. Einer der Männer an den Bildschirmen erklärte ihm, Greywolf und Delaware seien im Welldeck, um MK-6 gegen MK-7 auszutauschen.
    Also marschierte er den Rampentunnel hinunter und gelangte auf das leere Hangardeck. Es war kalt und zugig dort. Er wollte weitergehen, aber etwas hielt ihn zurück. Obwohl Tageslicht durch die torgroßen Öffnungen der Außenfahrstühle hereindrang, dominierte das fahle, gelbliche Zwielicht der Natriumdampfbeleuchtung die Atmosphäre. Er versuchte sich vorzustellen, wie die riesige Halle gedrängt voll stand mit Hubschraubern und Harrier Jets, Fahrzeugen, Fracht und Ausrüstung, zentimeternah aneinander geparkt, sodass eben genug Platz blieb, um durch eine Tür, ein Fenster oder eine Klappe hineinzuschlüpfen. Wie Jeeps und Gabelstapler laut und ratternd die Rampen hoch- und runterfuhren. Wie Hunderte emsiger Marines, sobald sich das Fluggerät auf dem Dach befand, hier Waffen und Ausrüstung überprüften, schnell und konzentriert, wie die ganze, gewaltige Maschinerie der Independence ineinander griff.
    Absurd, dieser Riesenraum in seiner Leere. Nutzlos. Die Büros zwischen den Spanten unbesetzt. Die gelben Lampen im Stahlträgermuster der hohen, düsteren Decke beleuchteten vornehmlich sich selber.Rohrleitungen entlang der Wände führten ins Nichts. Und überall Warnschilder – für wen?
    »Manchmal, wenn es im Fitnessraum eng wird, stellen wir hier noch ein paar Laufbänder mit rein«, hatte Peak gesagt, als sie in Norfolk zusammen durch das Schiff gewandert waren. »Dann wird es erst richtig gemütlich.« Er hatte stirnrunzelnd dagestanden, als suche er nach etwas. Und dann hatte er hinzugefügt: »Ich hasse es, wenn der Hangar so leer ist. Ich hasse diese Verlassenheit von Räumen, die nicht leer sein dürften. Irgendwie hasse ich diese ganze Mission.«
    Es war das einzige Mal, dass er Peak so erlebt hatte.
    Der leerste Raum, dachte Anawak, ist immer in einem selber.
    Ohne Eile ging er quer durch die Halle und trat hinaus auf die Plattform des Backbordaufzugs. Der Lift ragte über die Wellen wie eine großzügig bemessene Sonnenterrasse. Beiderseitig der Toröffnung ruhte er in senkrechten Laufschienen. Zwei große Hubschrauber mit zusammengelegten Rotorblättern fanden auf der über 140 Quadratmeter großen Fläche Platz, um vom Hangardeck hinauf aufs Dach gestemmt zu werden. Anawak kniff die Augen zusammen. Der Wind blies ihn ordentlich durch. Eine starke Bö konnte einen unvermittelt von den Füßen hebeln und über die Kante wehen, und nirgendwo gab es ein Gitter. Stattdessen zogen sich Auffangnetze um den Lift. Ein ganzer Ring solcher Netze umgab das Schiff, damit einen der Sturm oder der Ausstoß von Flugzeugabgasen nicht in die See warf.
    Riskant war es trotzdem.
    Zehn Meter unter ihm wogte die See.
    Immer noch herrschten diffuse Sichtverhältnisse, aber der Eispartikelregen hatte aufgehört. So weit das Auge reichte, war das Wasser marmoriert von streifiger Gischt. Schieferfarbenes, weiß geädertes Meer in stetigem Auf und Ab. Eine Wüste.
    Wie seltsam. Mehr als die Hälfte seines Lebens war er im gemäßigten Klima der kanadischen Westküste untergekrochen. Jetzt hatte ihn das Schicksal gleich zweimal hintereinander ins Eis verschlagen.
    Der Wind zerrte an seinen Haaren. Allmählich fühlte er seine Haut taub werden von der Kälte. Er hielt die Hände wie eine Muschel vor seinen Mund und blies seinen warmen Atem hinein.
    Dann ging er zurück ins Innere.
     
     
    Labor
    Johanson hatte Oliviera versprochen, sie zu einem richtigen Hummeressen einzuladen, wenn alles überstanden sei. Dann fischte er mit Hilfe des Spherobot eine Krabbe aus dem Simulator. Der kugelförmige Roboter schwebte, das fast bewegungslose Tier in seiner Greifzange haltend, zurück in die Garage, wo hermetisch verschließbare Boxen mit PVC-Lackierung bereitstanden. Es sah merkwürdig aus, wie der Automat die Krabbe mit augenscheinlichem Ekel von sich weg hielt, ins Innere

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