Der Schwarm
etwas die Beine weg, und er prallte auf den Rücken. Schmerzhaft entwich alle Luft aus seinen Lungen. Der Körper des Orcas kippte auf ihn zu. Peak stöhnte, packte unwillkürlich die Harpune fester und wurde mit einem Ruck ins Becken gezogen.
In einem Strudel aus Luftblasen sank er nach unten. Seine Beine steckten in einer blau schimmernden Masse. Er stieß mit der Harpune dagegen, und der Klammergriff löste sich. Über ihm klatschte der Orca zurück ins Wasser. Eine gewaltige Druckwelle erfasste Peak und wirbelte ihn mehrfach um seine Achse. Er sah die Zahnreihen des Wals auseinander klappen, keinen Meter entfernt, stieß ihm die Harpune ins Maul und drückte ab.
Einen Moment schien alles stillzustehen.
Aus dem Kopf des Orcas drang eine dumpfe Detonation. Sie war nicht besonders laut, aber die Welt färbte sich rot. Peak wurde in einer Masse aus Blut und Fleischfetzen nach hinten geschleudert. Er schlug einen Salto, prallte gegen die Seitenwand und zog sich mit einer einzigen schwungvollen Bewegung wieder auf den Pier. Keuchend robbte er von der Kante weg. Überall war Blut. Rote Schmiere mischte sich mit Fettgewebe und Knochensplittern. Er versuchte, hochzukommen, rutschte aus und fiel wieder auf den Hintern. Schmerz durchzuckte ihn. Sein linker Fuß stand in einem Winkel ab, der nichts Gutes verhieß, aber im Augenblick interessierte ihn nicht mal das.
Ungläubig starrte er auf die Szenerie, die sich ihm bot.
Der Organismus schien in Raserei verfallen zu sein. Die Tentakel peitschten wild durcheinander. Regale stürzten um, Ausrüstung flog durch die Luft. Von den Soldaten war nur einer auszumachen, der feuernd den Pier entlanglief, bis ihn einer der Arme ins Wasser beförderte. Peak duckte sich, als ein halb transparentes Gebilde dicht über ihn hinwegfegte, das keine Schlange und kein Fangarm war, nichts, das er schon mal gesehen hatte. Mit aufgerissenen Augen gewahrte er, wie sich die Spitze des Gebildes im Flug veränderte und für eine Sekunde das Aussehen eines Fischkörpers annahm, bevor sie sich in züngelndeFäden verästelte. Große Tiere schienen im Becken unterwegs zu sein, Rückenflossen wuchsen heraus und verschwanden wieder, deformierte Köpfe reckten ihre Schnauzen in die Höhe, seltsam glibberig und unfertig, verformten sich und klatschten als konturlose Klumpen zurück ins Wasser.
Peak rieb sich die Augen. Täuschte er sich, oder war der Wasserspiegel gesunken? Das Dröhnen von Maschinen mischte sich in den allgemeinen Lärm, und er begriff: Sie pumpten das Deck leer! Das Wasser wurde aus den Ballasttanks gepresst. Unmerklich hob sich das Heck der Independence, während der Inhalt des künstlichen Hafenbeckens zurück ins Meer floss. Die umherpeitschenden Auswüchse zogen sich zurück. Plötzlich war das Wesen wieder zur Gänze untergetaucht. Peak schob sich die Wand hoch, belastete seinen linken Fuß und knickte ein. Bevor er stürzen konnte, packten ihn zwei Hände.
»Festhalten«, sagte Greywolf.
Peak klammerte sich an die Schulter des Hünen und versuchte mitzuhumpeln. Selber nicht eben klein, kam er sich neben Greywolf schmächtig und kraftlos vor. Er stöhnte auf. Greywolf hob ihn kurz entschlossen in die Höhe und lief mit ihm den Pier entlang zum künstlichen Gestade.
»Stopp«, keuchte Peak. »Das reicht. Runterlassen.«
Greywolf ließ ihn sanft zu Boden sinken. Sie waren unmittelbar vor dem Tunnel, der zum Laboratorium führte. Von hier aus konnte man das gesamte Becken überblicken. Peak erkannte, dass die Seitenwände des Delphinariums wieder sichtbar wurden. Unverändert dröhnten die Pumpen. Er dachte an die Menschen in dem Becken, die wahrscheinlich alle tot waren, an die Soldaten, an Delaware und Browning ...
An Anawak!
Sein Blick suchte das Wasser ab. Wo war Anawak?
Prustend tauchte er auf, unmittelbar vor dem Gestade. Greywolf sprang hinzu und half ihm aufs Trockene. Sie sahen zu, wie das Wasser weiter absank. Nun konnten sie ein großes Wesen erkennen, das mattblaues Licht abstrahlte und das Becken durchstreifte, als suche es einen Weg nach draußen. Seine Form erinnerte an einen schlanken Wal oder eine gedrungene Seeschlange. Keine Lichtblitze zuckten mehr über seinen Körper, keine Tentakel entwuchsen der Masse. Es schwamm in jede Ecke, schlängelte sich an den Wänden entlang, suchte schnell und systematisch nach dem Ausweg, den es nicht gab.
»Verdammtes Scheißvieh!«, keuchte Peak. »Jetzt wird es trockengelegt.«
»Nein. Wir müssen es retten.«
Das
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