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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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war Gordon Gallups prominentester Widersacher in der Frage, wie intelligent und selbstbewusst Primaten und andere Tiere tatsächlich waren. Er pflichtete Gallup bei, dass Schimpansen, die sich im Spiegel erkannten, eine Vorstellung ihrer selbst hatten. Umso entschiedener leugnete er, dieser Umstand befähige sie, ihre eigenen mentalen Zustände zu begreifen und damit die anderer Lebewesen. Für Povinelli war längst noch nicht erwiesen, dass überhaupt irgendein Tier das psychologische Verständnis aufbrachte, wie es Menschen eigentümlich war.
    »Povinelli geht einen mutigen Weg«, sagte Delaware. »Seine Ansichten erscheinen ewig gestrig, aber das nimmt er in Kauf. Gallup hat es viel leichter, weil es schick ist, Schimpansen und Delphine und wer weiß wen als gleichberechtigte Partner des Menschen hinzustellen.«
    »Sie sind gleichberechtigte Partner«, sagte Anawak.
    »Im ethischen Sinne.«
    »Unabhängig davon. Ethik ist eine Erfindung der Menschen.«
    »Das bezweifelt niemand. Auch nicht Povinelli.«
    Anawak ließ den Blick über die Bucht wandern. Kleinere Inseln kamen ins Blickfeld.
    »Ich weiß, worauf du hinauswillst«, sagte er nach kurzer Pause. »Du findest, es kann nicht der Weg sein, möglichst viel Menschliches in Tieren nachzuweisen, um sie menschlicher zu behandeln.«
    »Es ist arrogant«, rief Delaware heftig.
    »Ich gebe dir Recht. Es löst kein einziges Problem. Aber die meisten Menschen brauchen die Vorstellung, dass Leben umso schützenswerter ist, je mehr es nach dem Menschen schlägt. Es ist und bleibt leichter, ein Tier zu töten als einen Menschen. Es wird erst dann schwieriger, wenn wir das Tier als nahen Verwandten betrachten. Die meisten Menschen sind mittlerweile dazu bereit, aber die wenigsten wollen sich mit dem Gedanken anfreunden, dass wir vielleicht nicht die Krone der Schöpfung sind und dass wir auf der Werteskala des Lebens nicht vor allen anderen, sondern neben ihnen stehen. Das führt zu einem Dilemma: Wie soll ich einem Tier oder einer Pflanze die gleiche Achtung entgegenbringen wie einem Menschen, wenn ich zugleich den Wert menschlichen Lebens höher einschätze als den Lebenswert einer Ameise oder eines Affen oder Delphins?«
    »He!« Sie klatschte in die Hände. »Wir sind ja doch einer Meinung.«
    »Fast. Ich glaube, du bist ein wenig ... messianisch in deiner Auffassung. Ich persönlich vertrete die Meinung, dass die Psyche eines Schimpansen oder Belugas gewisse Schnittmengen mit der menschlichen aufweist.« Delaware setzte zu einer Antwort an. Anawak hob die Hand. »Gut, formulieren wir es andersrum: Auf der Werteskala eines Belugas – falls sich Wale je solche Gedanken machen – rücken wir vielleicht umso höher, je mehr Vertrautes er in uns entdeckt.« Er grinste. »Vielleicht halten uns einige Belugas sogar für intelligent. Gefällt es dir so rum besser?«
    Delaware krauste die Nase. »Ich weiß nicht, Leon. Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass du mich in die Falle lockst?«
    »Seelöwen«, rief Stringer. »Da vorne.«
    Anawak legte die Hand über die Augen. Sie näherten sich einer Insel mit spärlichem Baumbewuchs. Auf den Klippen döste eine Gruppe Stellar-Seelöwen in der Sonne. Einige reckten träge die Köpfe und sahen zu dem Boot herüber.
    »Es geht nicht um Gallup oder Povinelli, habe ich Recht?« Er hob die Kamera ans Auge, zoomte und schoss Fotos von den Tieren. »Ich schlage dir also eine andere Diskussion vor. Wir einigen uns darauf,dass es keine Werteskala gibt, sondern nur eine menschliche Vorstellung davon, und die haken wir hiermit ab. Jeder von uns beiden ist leidenschaftlich dagegen, Tiere zu vermenschlichen. Ich bin der Überzeugung, dass es innerhalb gewisser Grenzen dennoch möglich sein wird, die Innenwelt von Tieren zu begreifen. Sagen wir, intellektuell zu erfassen. Ich glaube außerdem, dass wir mit manchen Tieren mehr gemeinsam haben als mit anderen und dass wir einen Weg finden werden, mit einigen von ihnen zu kommunizieren. – Du hingegen glaubst, alles Nichtmenschliche wird uns auf ewig fremd bleiben. Wir haben keinen Zugang zum Kopf eines Tieres. Es wird ergo keine Kommunikation geben, sondern immer nur das Trennende, und wir sollen uns gefälligst damit zufrieden geben, sie in Ruhe zu lassen.«
    Delaware schwieg eine Weile. Das Zodiac passierte mit verringerter Geschwindigkeit die Insel mit den Seelöwen. Stringer erzählte Wissenswertes über die Tiere, und die Insassen taten es Anawak gleich und schossen Fotos.
    »Ich muss

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