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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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darüber nachdenken«, sagte Delaware schließlich.
    Und das tat sie wirklich. Zumindest sagte sie im Verlauf der weiteren Fahrt kaum noch etwas, bis das Zodiac die offene See erreicht hatte. Anawak war zufrieden. Es war gut, dass die Tour mit den Seelöwen begonnen hatte. Immer noch hatten die Populationen der Wale nicht ihre gewohnten Bestände erreicht. Ein Felsen voller Seelöwen stimmte die Expedition positiv ein und half vielleicht darüber hinweg, wenn hinterher nicht mehr so viel passierte.
    Aber seine Befürchtungen erwiesen sich als grundlos.
    Gleich vor der Küste trafen sie auf eine Herde Grauwale. Sie waren etwas kleiner als Buckelwale, aber immer noch von imposanter Größe. Einige kamen ziemlich nah heran und lugten für kurze Zeit aus dem Wasser, zum absoluten Entzücken der Passagiere. Sie sahen aus wie lebendig gewordene Steine, schieferfarben, fleckig gesprenkelt, die mächtigen Kiefer überwuchert von Seepocken und Ruderfußkrebsen, festgewachsenen Parasiten. Die meisten Passagiere filmten und fotografierten wie besessen. Andere sahen einfach nur ergriffen zu. Anawak hatte erwachsene Männer erlebt, denen beim Anblick eines auftauchenden Wals die Tränen gekommen waren.
    In einiger Entfernung trieben drei weitere Zodiacs und ein größeres Schiff mit festem Rumpf. Alle hatten die Motoren abgestellt. Stringer gab über Funk die Sichtungen durch. Es war Whale Watching der verträglichen Art, das sie hier betrieben, aber ein Jack Greywolf würde auch dagegen zu Felde ziehen.
    Jack Greywolf war ein Idiot.
    Ein gefährlicher Idiot obendrein. Anawak missfiel, was er plante. Tourist Watching. Lächerlich! Aber wenn es hart auf hart kam, hätte Greywolf die Medien fürs Erste auf seiner Seite. Es würde Davies in Misskredit bringen, egal, wie gewissenhaft und verantwortungsbewusst sie dort vorgingen. Störmanöver von Tierschützern, auch wenn sie ein dubioser Haufen waren wie Greywolfs Seaguards, würden Vorurteile bestätigen. Kaum jemand machte sich wirklich die Mühe, zwischen den Anliegen seriöser Organisationen und Fanatikern vom Schlage eines Jack Greywolf zu unterscheiden. Das kam erst später, wenn die Presse die Fakten aufarbeitete und der Schaden angerichtet war.
    Und Greywolf war weiß Gott nicht Anawaks einzige Sorge.
    Aufmerksam beobachtete er den Ozean, die Kamera einsatzbereit. Er fragte sich, ob er neuerdings unter Paranoia litt, ausgelöst durch seine Begegnung mit den beiden Buckelwalen. Sah er Gespenster, oder zeichnete sich im Verhalten der Tiere tatsächlich eine Veränderung ab ?
    »Rechts!«, rief Stringer.
    Die Köpfe der Menschen im Zodiac folgten ihrer ausgestreckten Hand. Mehrere Grauwale hatten sich dem Boot genähert und vollführten anschauliche Tauchmanöver. Ihre Fluken schienen den Insassen zuzuwinken. Anawak schoss Fotos fürs Archiv. Shoemaker hätte vor Freude in die Hände geklatscht bei dem Anblick. Es war ein Bilderbuchtrip, als seien die Tiere übereingekommen, die Whale Watchers für die lange Zeit des Wartens mit einer großzügigen Revue zu entschädigen. Weiter draußen steckten drei große Graue die Köpfe aus dem Wasser.
    »Das sind keine Grauwale, oder?«, fragte Delaware. Sie sah Anawak Kaugummi kauend an, als erwarte sie eine Belohnung.
    »Nein. Es sind Buckelwale.«
    »Sag' ich doch. Woher kommt bloß diese dämliche Bezeichnung? Ich sehe keinen Buckel.«
    »Sie haben auch keinen. Aber sie machen einen beim Abtauchen. Schätze, es ist diese charakteristische Körperkrümmung, die ihnen den Namen eingetragen hat.«
    Delaware hob die Brauen. »Ich dachte eigentlich, der Name bezieht sich auf die kleinen Buckel am Maul. Auf diese Wucherungen.«
    Anawak seufzte.
    »Mal wieder in der Opposition, Licia?«
    »'tschuldigung.« Sie ruderte aufgeregt mit den Armen. »He, was machen die denn da? Was tun die?«
    Die Köpfe der drei Buckelwale hatten zeitgleich dieWasseroberfläche durchstoßen. Sie hatten die riesigen Mäuler weit geöffnet, sodass man den rosafarbenen Gaumenstrang in der Mitte des schmalen Oberkiefers sehen konnte. Deutlich waren die herabhängenden Barten zu erkennen. Die gewaltigen Kehlsäcke schienen wie aufgebläht. Gischt wirbelte zwischen den Walen hoch – und noch etwas, glitzernd wie Flitter. Winzige, wild zappelnde Fische. Wie aus dem Nichts hatten sich Scharen von Möwen und Seetauchern eingefunden, die über dem Schauspiel kreisten und herabstießen, um an dem Gelage teilzuhaben.
    »Sie fressen«, sagte Anawak, während er

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