Der Schwarm
gemeinsam an einen verlassenen See fuhr, wünschte sie zurück nach Trondheim und zugleich in seine Arme, rückte ihr näher, bis er ihren Atem auf seinem Gesicht spüren konnte, verfluchte den Lauf des Geschicks und konnte es zugleich kaum erwarten.
»Gut. Dann mal los.«
Draußen war es windstill. Sie liefen den Steg entlang und sprangen ins Boot. Es geriet ins Schaukeln, und Johanson ergriff ihren Arm. Er hätte laut auflachen können! Wie im Film, schoss es ihm durch den Kopf. Wie in einem gottverdammten Kitschfilm mit Meg Ryan. Beim Stolpern kommt man sich näher. Du liebe Güte.
Es war ein kleines Holzboot, das ihm der ehemalige Besitzer des Hauses mitverkauft hatte. Der Bug war überplankt, um Stauraum zu schaffen. Lund setzte sich im Schneidersitz darauf, während Johanson den Außenborder startete. Das Motorengeräusch störte den Frieden keineswegs. Es fügte sich harmonisch ein in die wundersam belebte Nacht der Wälder, ein Tuckern und tiefes Brummen wie von einer überdimensionalen Hummel.
Während der kurzen Fahrt fiel kein Wort. Schließlich drosselte Johanson den Motor und stellte ihn aus. Sie trieben ein gutes Stück vom Haus entfernt. Er hatte die Verandabeleuchtung angelassen, und sie spiegelte sich im ufernahen Wasser als kräuseliger Streifen. Hier und da erklang leises Plätschern, wenn ein Fisch an die Oberfläche schoss, um nach Insekten zu schnappen. Johanson balancierte zu Lund hinüber, in der Rechten die halb volle Flasche. Das Boot schaukelte sacht.
»Wenn du dich auf den Rücken legst«, sagte er, »gehört das Universum dir. Mit allem, was drin ist. Versuch's.«
Sie sah ihn an. Im Dunkeln leuchteten ihre Augen.
»Hast du schon mal Sternschnuppen hier gesehen?«
»Ja. Mehrfach.«
»Und? Hast du dir was gewünscht?«
»Dafür mangelt es mir an romantischer Substanz.« Er ließ sich neben ihr auf den Planken nieder. »Ich habe es einfach genossen.«
Lund kicherte. »Du glaubst an gar nichts, was?«
»Und du?«
»Ich bin die Letzte, die an so was glaubt.«
»Ich weiß. Dir macht man keine Freude mit Blumen oder Sternschnuppen. Kare wird seine liebe Not haben. Das Romantischste, was man dir schenken kann, ist wahrscheinlich eine Stabilitätsanalyse für meerestechnische Konstruktionen.«Lund sah ihn weiter an. Dann legte sie den Kopf in den Nacken und ließ sich langsam nach hinten sinken. Ihr Pullover rutschte hoch und gab ihren Bauchnabel frei.
»Glaubst du das wirklich?«
Johanson stützte sich auf den Ellenbogen und betrachtete sie.
»Nein. Nicht wirklich.«
»Du glaubst, ich bin unromantisch.«
»Ich glaube, du hast dir noch keine Gedanken darüber gemacht, wie Romantik funktioniert.«
Wieder hefteten sich ihre Blicke aneinander.
Lange.
Zu lange.
Er fand seine Finger in ihrem Haar wieder, fuhr langsam durch die Strähnen. Sie sah zu ihm hoch.
»Vielleicht zeigst du es mir«, flüsterte sie.
Johanson beugte sich hinab, bis zwischen ihren Lippen nur noch eine dünne Schicht erhitzter Luft vibrierte. Sie schlang einen Arm um seinen Nacken. Ihre Augen waren geschlossen.
Küssen. Jetzt.
Tausend Geräusche und Gedanken flatterten durch Johansons Hirn, verdichteten sich zu einem Wirbel und zerrten an seiner Konzentration. Immer noch verharrten sie beide in angespannter Stellung, als müsse erst jemand ein Zeichen geben, ein Signal, eine Genehmigung, hier bitte, in doppelter Ausfertigung, eine für Sie, eine für Sie. Sie dürfen die Braut jetzt küssen, Sie dürfen jetzt leidenschaftlich werden, wirklich leidenschaftlich. Das sah schon nicht schlecht aus, aber jetzt glauben Sie bitte dran!
Seien Sie leidenschaftlich, Mann!
Was ist los?, dachte Johanson. Was stimmt hier nicht?
Er spürte Lunds Körperwärme, nahm ihren Duft in sich auf, und es war ein köstlicher, wunderbarer, einladender Duft.
Aber es war, als sei er im falschen Haus. Nicht an ihn erging diese Einladung.
»Es funktioniert nicht«, sagte Lund im selben Moment.
Einen Atemzug lang, auf der Kippe zwischen Kapitulation und trotzigem Beharren, fühlte sich Johanson, als sei er in eiskaltes Wasser gefallen. Dann verging der kurze Schmerz. Etwas erlosch. Der Rest von Glut verflüchtigte sich in der klaren Luft über dem See und machte ungeheurer Erleichterung Platz.
»Du hast Recht«, sagte er.
Sie lösten sich voneinander, langsam, widerstrebend, als hätten ihre Körper noch nicht begriffen, was die Köpfe längst ausgehandelt hatten. Johanson sah die Frage in ihren Augen, die sie wahrscheinlich
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