Der Schwarm
Schluss machte und ich das heulende Elend bekam.«
»Und danach?«
Sie stützte das Kinn auf. Wie sie dort im Mondlicht saß, eine kleine, steile Falte zwischen den Brauen, sah sie wunderbar aus. Dennoch empfand Johanson nicht die Spur des Bedauerns. Weder, dass sie es versucht hatten, noch, wie es ausgegangen war.
»Danach war ich jedes Mal diejenige, die es beendet hat.«
»Racheengel.«
»Quatsch. Nein, manchmal gingen mir die Kerle einfach auf die Nerven. Zu langsam, zu lieb, zu begriffsstutzig. Manchmal bin ich auch einfach weggelaufen, um mich in Sicherheit zu bringen, bevor ... Du weißt ja, ich bin schnell.«
»Lass uns kein schönes Haus bauen, denn es könnte ein Sturm kommen und es zerstören.«
Lund verzog die Mundwinkel. »Ist mir zu elegisch.«
»Mag sein. Aber es passt.«
»Ja, passen tut's schon.« Sie runzelte die Stirn. »Es gibt auch noch die andere Möglichkeit. Du baust das Haus, und bevor es jemand zerstören kann, zerstörst du es selber.«
»Kare, das Haus.«
»Ja. Kare, das Haus.«
Irgendwo begann eine Grille zu zirpen. Ein ganzes Stück entfernt antwortete eine zweite.
»Beinahe wäre es dir gelungen«, sagte Johanson. »Wenn wir heute miteinander geschlafen hätten, hättest du Grund genug gehabt, Kare den Laufpass zu geben.«
Sie erwiderte nichts.
»Glaubst du, du hättest dich selber dermaßen übertölpeln können?«
»Ich hätte mir halt gesagt, dass es weit mehr meinem Lebensstil entspricht, mit dir ein Verhältnis zu haben, als eine Beziehung einzugehen, die mich auf Dauer lahm legt. Mit dir ins Bett zu gehen hätte das irgendwie ... bestätigt.«
»Du hättest dir die Bestätigung sozusagen ervögelt.«
»Nein.« Sie funkelte ihn zornig an. »Ich war scharf auf dich, ob du's glaubst oder nicht.«
»Schon gut.«
»Du bist kein Fluchthelfer, wenn du das meinst. Ich habe dich nicht einfach so ....«
»Schon gut, schon gut!« Johanson hob die Hände. »Du bist eben verliebt.«
»Ja«, sagte sie mürrisch.
»Nicht so widerwillig. Sag's nochmal.«
»Ja. Jaha!«
»Schon besser.« Er grinste. »Und jetzt, wo wir dich von innen nach außen gekrempelt und gesehen haben, was du für ein Angsthase bist, sollten wir vielleicht den Rest der Flasche auf Kare leeren.«
Sie grinste schiefmäulig zurück. »Ich weiß es nicht.«
»Du bist dir immer noch nicht sicher?«
»Mal mehr, mal weniger. Ich bin ... durcheinander.«
Johanson ließ die Flasche abwechselnd von einer Hand in die andere wandern. Dann sagte er:
»Ich habe auch mal ein Haus niedergerissen, Tina. Ist Jahre her. Die Bewohner waren noch drin. Sie haben einigen Schaden genommen, aber später sind sie drüber weggekommen. – Einer von beiden jedenfalls. Ich weiß bis heute nicht, ob es richtig war.«
»Wer war der andere Bewohner?«, fragte Lund.
»Meine Frau.«
Sie zog die Brauen hoch. »Du warst verheiratet?«
»Ja.«
»Davon hast du nie was erzählt.«
»Ich habe manches nicht erzählt. Ich finde es ganz erquicklich, Dinge nicht zu erzählen.«
»Was ist passiert?«
»Was halt passiert.« Er zuckte die Achseln. »Du lässt dich wieder scheiden.«
»Warum?«
»Das ist es ja. Es gab keinen besonderen Grund. Keine bühnenreifen Dramen, keine fliegenden Teller. Nur das Gefühl, es könnte zu eng werden. Und in Wahrheit die Angst, es könnte ... mich abhängig machen. Ich sah eine Familie auf mich zukommen, Kinder und einen sabbernden Köter im Vorgarten, ich sah mich Verantwortung übernehmen, und die Kinder und der Hund und die Verantwortung machten die Liebe Stück für Stück zunichte ... Ich hielt es damals für sehr vernünftig, mich zu trennen.«
»Und heute?«
»Heute denke ich manchmal, dass es der vielleicht einzige Fehlerwar, den ich in meinem Leben gemacht habe.« Er sah versonnen aufs Wasser hinaus. Dann straffte er sich und hob die Flasche. »In diesem Sinne: Cheerio! Was immer du tun willst, tu es.«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, flüsterte sie.
»Lass dich nicht von der Angst einholen. Du hast Recht, du bist schnell. Sei schneller als die Angst.« Er sah sie an. »Ich war es damals nicht. Alles, was du ohne Angst entscheidest, entscheidest du richtig.«
Lund lächelte. Dann beugte sie sich vor und griff nach der Flasche.
Erstaunlicherweise, wie Johanson fand, blieben sie dann doch das ganze Wochenende zusammen am See. In der Nacht ihrer verpatzten Romanze hatte er vermutet, sie werde tags drauf zurück nach Trondheim fahren wollen, aber so war es nicht. Etwas hatte
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