Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
Vom Netzwerk:
diesem vornehmen Herrn unter einer Decke?«
     
    Josef pfiff anerkennend durch die Zähne. »Er hatte recht. Du bist nicht nur schön, geschickt und gewissenlos, sondern auch schlau.«
     
    »Ich bin nicht gewissenlos«, schmollte Maria und zog eine Schnute. Jetzt sah sie wie ein kleines, ertapptes Mädchen aus. »Was ich tue, tue ich nur, um nicht zu sterben. Ich nehme mir bloß das, was ich unbedingt brauche.«
     
    »Genau wie wir«, gab Josef zurück. »Na ja, das heißt, manchmal nehmen wir vielleicht ein ganz klein wenig mehr – aber wirklich nur ein ganz klein wenig.« Es hatte lustig klingen sollen, aber es lag etwas in seinen Worten, das Maria eine Gänsehaut verursachte. »Weißt du, dir hätte gar nichts Besseres passieren können, als dem Meister aufzufallen.«
     
    »Dem Meister?«
     
    »So nennen wir alle den Grafen. Er ist ein hochvornehmer Herr, und wir sind froh, dass er uns in seine Dienste genommen hat.«
     
    »Was sind das für Dienste?«
     
    »Na, du weißt schon …«
     
    Auf einem Ast geradewegs über Maria hatte sich eine kecke Amsel niedergelassen und sang nun ihr abwechslungsreiches Lied. Der laue Frühlingswind spielte durch Marias Haar und streichelte ihr über die Wangen, als wolle er sie beruhigen. War das hier nicht die Gelegenheit, auf die sie so lange gewartet hatte? Lag in Josefs Bande nicht die höchste Sicherheit, die sie je haben konnte? »Wie viele seid ihr?«, fragte sie nach einer längeren Pause, während der Josef sie unverwandt aus seinen seltsamen blauen Augen angestarrt hatte.
     
    »Mit mir acht«, sagte er. »Den Grafen natürlich nicht eingerechnet. Es sind alles prächtige Burschen, und eine solche Lilie wie du wäre der passende Schmuck für uns – abgesehen davon, dass wir deine Fertigkeiten ganz dringend brauchen. Deshalb hat der Graf dich ja ausgesucht.«
     
    »Ausgesucht?«
     
    »Du warst ihm schon recht früh aufgefallen, und da hat er dich auf die Probe gestellt. Er sagte mir, er sei sehr beeindruckt von deiner Fingerfertigkeit, aber er musste unbedingt auch wissen, wie weit du zu gehen bereit bist. Deshalb hat er den armen Kaufmann heiß auf dich gemacht.«
     
    Jetzt fiel Maria wieder ein, dass ihr jämmerlicher Liebhaber von einem »vornehmen Herrn« gesprochen hatte. Plötzlich hatte sie den Eindruck, als habe sie sich in einem Spinnennetz verheddert, und jede ihrer Bewegungen führe nur dazu, dass sie fester von den klebrigen Fäden umsponnen wurde. »Und warum soll ich für ihn oder für euch von so großem Nutzen sein?«
     
    »Weil wir etwas Großes vorhaben. Wenn du mich fragst, geht es dabei um mehr als nur um Gold und Silber. Aber wir vertrauen dem Meister blind. Wir fragen nicht. Wir sind sein Eigentum.« Josefs Blick war starr in die Ferne gerichtet.
     
    Maria spürte das Prickeln des Abenteuers. Warum sollte sie eigentlich nicht herauszufinden versuchen, warum dieser merkwürdige Graf sich so viel Mühe mit ihr gemacht hatte? »Was bleibt mir denn anderes übrig, als mich zu euch zu gesellen?«, sagte sie schließlich.
     
    Josef spuckte den zerkauten Grashalm aus. »Ich wusste ja, dass du ein kluges Kind bist. Wirst es nicht bereuen. Schon morgen Nacht geht es los. Wir werden es mit leichten Gegnern zu tun haben: mit drei Benediktinermönchen …« Er füllte das Geld wieder in die Säckchen und stand auf. Auch Maria erhob sich aus dem weichen Gras. Die Amsel über ihrem Kopf flog laut schimpfend davon.
     
    An ihre Stelle setzte sich ein fetter Rabe. Sein Krächzen hallte schauerlich durch den Buchenhain.
     
        
     

4. Kapitel
     
    Immer wieder warf Bruder Martin einen Blick auf den Reiter neben sich. Auch Suitbertus, der vorausritt, schaute andauernd über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war.
     
    Nichts war in Ordnung!
     
    Als Martin am vergangenen Abend Pater Hilarius reglos am Boden seines Zimmers gefunden hatte, hatte er zuerst befürchtet, der Geistliche sei tot. Der junge Mönch war neben ihm niedergekniet und hatte ihm den Puls gefühlt, so wie der heilkundige Pater Jakobus es ihm früher einmal im Kloster gezeigt hatte. Der Puls des Paters Hilarius hatte noch ganz schwach geschlagen. Gemeinsam mit Suitbertus, der sich schließlich aus seinem Zimmer herausgetraut hatte, als er sicher gewesen war, dass ihm keine Gefahr mehr drohte, hatte Martin den heiligmäßigen Geistlichen wieder zu Bewusstsein gebracht, indem sie ihm leichte Klapse auf die Wangen gegeben hatten. Martin hatte sich dabei wie

Weitere Kostenlose Bücher