Der schwarze Atem Gottes
Brüste sanft über den Rücken des Schlafenden. Als errege diese Berührung höchst angenehme Traumbilder in ihm, begann er zu lächeln und rekelte sich auf der harten Matratze. Dann drehte er sich endlich!
Mit einem Griff hatte Maria ihm den heiß ersehnten Schlüssel über den Kopf gezogen, und mit zwei Sprüngen war sie bei der Truhe. Sie öffnete sie rasch und lautlos und packte das erste Säckchen. Sie war vorsichtig geworden; also warf sie zunächst einen Blick hinein.
Knöpfe, Kieselsteine, ein paar wertlose Kupfermünzen. Sonst nichts.
Maria schleuderte die Geldkatze wütend zurück in die Truhe und schnappte sich den zweiten Lederbeutel.
Glänzendes Gold strahlte sie an.
Und der dritte – jener, den der Kaufmann als Letztes in die Truhe gelegt hatte – enthielt neben Kleingeld auch gute Silber und zwei Goldmünzen.
»Hab ich dich, du nichtswürdige Hure!« Eine Hand packte sie am Arm und riss sie herum. Der kleine Kaufmann war aufgewacht und hatte bemerkt, dass sein Schlüssel fehlte.
Maria reagierte sofort. Sie riss sich aus dem Griff des Mannes los, der offensichtlich keine Gegenwehr erwartet hatte, und versetzte ihm einen Schlag gegen die breite, gewölbte Brust, sodass er rückwärts auf das Himmelbett fiel. Rasch hob sie ihren Rock, ihr Hemd, ihr Mieder und die beiden Ärmel vom Boden auf. Ihr blieb nur noch Zeit, den Rock hastig überzustreifen; die restlichen Kleidungsstücke warf sie sich über den Arm, während der Kaufmann bereits wieder aus dem Bett krabbelte. Sie griff nach den beiden wohlgefüllten Geldkatzen und rannte aus dem kleinen Zimmer. Der Kaufmann folgte ihr sofort. Er schien nicht einmal zu bemerken, dass er nackt war.
Maria stolperte die hohe, enge Stiege herunter, rannte durch das Kontor, in dem der bleiche Jüngling Stielaugen angesichts ihrer hüpfenden Brüste bekam, und als sie gerade bei der Haustür angekommen war, hörte sie, wie der Junge vor Lachen losprustete. Offenbar hatte auch der Kaufmann die Arbeitsstube erreicht.
Maria kümmerte sich nicht darum, welche Erscheinung sie abgab, und hastete hinaus in die übel riechende Gasse. Erregte Pfiffe gellten aus einigen Läden; ein Schmied schlug gar vor Überraschung neben seinen Amboss, und ein Schuster ließ den Stiefel fallen, den er gerade pfeifend reparierte.
»Haltet die Diebin!«, kreischte es da aus dem Haus des Kaufmanns. Maria warf einen Blick hinter sich. Er verfolgte sie nicht; sein Adamskostüm war ihm doch wohl zu peinlich.
Gerade als sie gehofft hatte, dass ihr die Flucht glücken würde, bemerkte sie, dass der Schuster aufgesprungen war. Er hastete hinaus in die Gasse und nahm die Verfolgung auf. Quiekend stoben die beiden mageren Schweine vor ihm auseinander. Hühner rannten aufgeregt umher und schlugen mit den Flügeln. Dieser Aufruhr zog immer mehr Menschen auf die Straße.
Und immer mehr verfolgten sie.
Der Schuster, der der Erste gewesen war, hatte bereits gefährlich aufgeholt. Maria kam an eine Kreuzung, huschte nach links in eine Seitenstraße – und stolperte über etwas. Beinahe wäre sie zu Boden gefallen, doch starke Arme fingen sie auf. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, hörte sie eine gepresste, raue Stimme: »Bück dich und beweg dich nicht«. Sie gehorchte sofort. Dann fiel etwas Schweres, Kratzendes auf sie und nahm ihr jede Sicht. Es musste eine härene Pferdedecke sein. Zumindest stank sie entsetzlich nach Pferd.
Aus ihrem Versteck, das sich doch mitten auf der Straße oder zumindest am Rand der Häuser befinden musste, hörte Maria aufgeregtes Schritteklappern. Dann eine hektische Stimme: »Wo ist sie?«
»Wer?« Das war die Stimme, die ihr geholfen hatte.
»Das halbnackte Weib.«
»Hab kein halbnacktes Weib gesehen, sonst wär es jetzt ganz nackt, das könnt ihr mir glauben. Steh nur hier mit meinen Stoffballen unter der Decke und wart auf meine Frau. Dieses zänkische Luder, ob sie mich wieder versetzt hat?«
Die Schritte entfernten sich.
Trotzdem dauerte es noch einige Zeit, bis sich die Decke hob.
»Komm hoch.«
Maria reckte und streckte sich.
Vor ihr stand ein junger, verwegen aussehender Mann. Er war nach der Art der Bauern gekleidet und trug einen langen, blauen Kittel aus grobem Leinen. Das kurze, blonde Haar war ins bartlose Gesicht gekämmt. Trotz seiner Jugend durchzogen tiefe Falten seine Wangen, als ob er bereits bis in die Hölle und zurück gewandert wäre. Seine
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