Der schwarze Dom
jetzt sofort aus der Kirche gehen und einfach alles hinter sich lassen. Nur Rick nicht. Das würde schwer zu erklären sein, aber vielleicht kamen sie davon, wenn sie sich dumm stellten. Er ist weg, konnten sie sagen, wohin, wissen wir nicht. Und das war ja die Wahrheit.
»Aber dieser Ort«, meinte Carl. »Er muß doch dichtgemacht werden.«
Joe schüttelte den Kopf.
»Geht nicht dorthin zurück. Geht noch nicht einmal in seine Nähe.«
»Sondern?« fing Tracie an.
»Hört auf mich«, sagte Joe.
»Das werden wir«, sagte Carl.
»Wirst du Rick finden?« fragte Paula, der wieder eine Träne über die Wange kullerte.
»Wenn ich es kann«, sagte Joe.
Paula ging das ganze Ausmaß dessen auf, was sie verloren hatte und was sie noch im Begriff war, zu verlieren.
Sie sank in seine Arme und umklammerte ihn. »Aber du darfst nicht gehen! Ich will dich nicht noch einmal verlieren, Joe, ich will nicht. Ich sterbe. Ich bin das ganze letzte Jahr gestorben ohne dich.«
Joe umarmte sie ebenfalls.
»Du hast mich nie losgelassen, weil ich dich nicht losgelassen habe. Ich bin zurückgekommen, Paula, und das war eine Sünde. Auch wenn wir dieses Jahr über nicht miteinander gesprochen haben und du mich praktisch nicht gesehen hast. Ich habe dich gesehen. Ich habe dich beobachtet, seit Davey mich zurückgeholt hat. Und ein Teil von dir wußte, daß ich dich beobachtet habe. Das ist der Teil, der dich sterben ließ.«
Er hielt sie eine Armlänge von sich. »Aber das ist jetzt vorbei. Ich werde meinen Weg gehen und du deinen. Tut mir leid, aber das ist die einzige Möglichkeit.«
»Nein«, flüsterte sie. Sie senkte den Kopf und weinte.
»Doch«, entgegnete Joe sanft. »Du mußt gehen. Jetzt. Bitte. Bevor ich versuche, hierzubleiben.«
»Das könntest du?« fragte Paula.
Sie hob den Kopf wieder, und in ihrer Stimme schwang Hoffnung mit.
»Führe mich nicht in Versuchung«, flüsterte Joe.
Sie wandte sich ab, und Carl bemerkte an ihrer Geste, daß sie begriff, was es kosten würde, wenn er blieb: die Leben, die zu opfern wären. Das war ein hoher Preis für irgend jemanden, sogar für die Liebe. Paula ergab sich nun ihrem Schicksal, weinte jedoch nach wie vor. Sie zog sich Joes Goldkettchen über den Kopf. Es gab jetzt nur noch eins davon. Das andere war mit Davey verschwunden, wie seinerzeit das Katzengold. Sie hängte es Joe um den Hals.
»Ich habe es nicht mehr abgenommen seit dem Abend, an dem du weg bist«, sagte sie.
»Ich weiß«, sagte Joe. Er nahm das Kettchen in die Hand.
»Wirst du dich an mich erinnern?« fragte Paula.
»Das werde ich.«
»Für immer?«
Joe gab ihr einen Kuß. »Das werden wir beide.«
Es gab vieles, was Carl seinen alten Freund gerne gefragt hätte. Glaubte er ihm? Vergab er ihm? Würde er sich auch an ihn erinnern? Aber die Zeit der vielen Worte war vorbei, und sie waren auch nicht mehr notwendig. Joe wandte sich ihm zu, und sie nahmen sich in den Arm, und in dieser Umarmung verspürte Carl ein ganzes Leben voller warmer Erinnerungen, die für beide andauern würden, selbst dann, wenn alles vorüber war.
»Die Wanderungen, die wir zusammen gemacht haben, waren toll«, sagte Joe, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten. Sein Gesicht war ruhig, und aus seinen Augen drang ein klares Licht.
Carl nickte.
»Hoffentlich können wir irgendwann einmal damit weitermachen.«
Irgendwo, meinte er. Aber das blieb unausgesprochen, und das war auch besser so. Sie ließen Joe zurück und wandten sich dem Hinterausgang der Kirche zu. Sie traten hinaus auf die harte Steinveranda und fühlten dort das leise Knirschen des Wüstensands unter den Sohlen. Der Nachthimmel war vom Mondschein hell erleuchtet. Eine sanfte, angenehm duftende Brise strich ihnen über das Gesicht. Alles war ruhig.
»War das ein Traum?« fragte Tracie.
Carl warf einen letzten Blick in die Kirche. Die Kerzen brannten. Der Altar war leer. Er ließ die Türe zufallen.
»Nein«, sagte Carl. »Wir werden nie aufwachen und diesen Abend vergessen haben.« Er dachte an Cessys letzte Bemerkungen und schauderte. »Nie.«
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