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Der schwarze Kanal

Der schwarze Kanal

Titel: Der schwarze Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Fleischhauer
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keine Rekruten waren, sondern Offiziersanwärter, also Männer und Frauen, von denen man erwartet, dass sie später im Gefecht einen kühlen Kopf bewahren und die richtigen Befehle geben. Unter Feindbeschuss kann man leider auch nicht mit dem Hinweis, man habe noch Sonnencreme an den Fingern, das Gewehr zur Seite legen.
    Aber genau hier liegt möglicherweise das Missverständnis, das dem Fall solche Aufregung bescherte: Das Kriegshandwerk ist mit der Käßmann-Kultur, in der man anderen mit ganz viel Verständnis begegnet, nur bedingt kompatibel. Wir haben uns offenbar immer noch nicht an den Gedanken gewöhnt, dass die Bereitschaft zu töten im Krieg unabdingbar ist – was uns allerdings nicht daran hindert, gleichzeitig im Bundestag das Afghanistan-Mandat zu verlängern und damit weitere Soldaten einem erstaunlich rücksichtslos agierenden Feind entgegenzuschicken.
    Der Tod der jungen Kadettin, die beim Aufentern den Halt verlor, ist tragisch und für die Eltern ein grausamer Verlust, aber der Alltag in einer Armee ist zwangsläufig mit besonderen Gefährdungen verbunden. Seit Indienstnahme der «Gorch Fock» als Marineschulschiff sind dort sechs junge Menschen ums Leben gekommen; jedes Jahr gibt es bei der Bundeswehr tödliche Unfälle, weil sich versehentlich ein Schuss löst oder jemand unter eine Panzerkette gerät. Wer sich für die Offizierslaufbahn entscheidet, weil er kostenlos Zahnmedizin oder Vergleichbares studieren will, dem kann man nur den Rat geben, dies an einer normalen Uni zu tun, das Militär ist dafür nicht der richtige Platz. Wo die Auszubildenden mit Waffen und scharfer Munition hantieren, wird es immer deutlich gefährlicher zugehen als in einem Labor oder Hörsaal.
    Man kann nun eine Gleichstellungsbeauftragte an Bord schicken, wie es der Wehrbeauftragte empfohlen hat. Man kann neben der Kapitänskajüte auch eine Mobbingstelle einrichten und regelmäßige psychologische Schulungen für die Stammbesatzung abhalten. Aber all das wird nichts daran ändern, dass die genaue Kenntnis des Antidiskriminierungsgesetzes in kriegerischen Auseinandersetzungen nur bedingt weiterhilft. Wichtiger – und jedenfalls zum Überleben weit vorteilhafter – ist die zuvor erworbene Fähigkeit, sich unerschrocken seiner Haut zu erwehren. Daran wird auch die Aufregung über den großen «Gorch Fock»-Skandal in absehbarer Zeit nichts ändern.

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Westerwelle: eine antizyklische Verteidigung
    Es ist zugegeben ein heikles Unterfangen, Guido Westerwelle verteidigen zu wollen. Man setzt sich sofort der Gefahr aus, mit in den Verachtungsstrudel zu geraten, der ihn in die Tiefe gerissen hat. Aber es ist an der Zeit, ein gutes Wort für ihn einzulegen – schon aus Gründen der Fairness, die allen aufgeklärten Menschen angeblich so am Herzen liegt. Wenn es einen Fall gibt, wo das Antidiskriminierungsgesetz Anwendung finden sollte, dann doch wohl hier.
    Über keinen deutschen Politiker ist nach wie vor so viel Abträgliches im Umlauf wie über den ehemaligen Parteichef der FDP . Westerwelle kann machen, was er will, am nächsten Tag steht in den Zeitungen, warum es falsch war. Erst schreibt man ihn unisono herunter, dann nimmt man die sinkenden Sympathiewerte als Bestätigung, dass man mit seiner Einschätzung richtiglag, und setzt noch einen drauf. Nicht die Tatsache, dass nur noch 22 Prozent der Deutschen ihn sich als Außenminister wünschen, ist angesichts dieses medialen Abwertungsverfahrens die Nachricht. Die eigentliche Sensation ist, dass sich überhaupt noch so viele Menschen trauen, ihm auf Nachfrage ein positives Zeugnis auszustellen.
    Sicher, Westerwelle ist ein politischer Freak, aber ist das Claudia Roth nicht auch? Seit sechs Jahren steht die ehemalige Bandmanagerin der «Ton Steine Scherben» als oberste Emotionalienhändlerin den Grünen vor, mit wöchentlich wechselnder Haarfarbe und stets griffbereitem Taschentuch, und trotzdem zieht nicht jeder über die arme Frau her, die Betroffenheit zum Wesensmerkmal guter Politik erklärt hat.
    Es ließen sich leicht noch andere Beispiele für Mandatsträger finden, an deren Auftritten man Anstoß nehmen könnte. Wer einmal näher mit Oskar Lafontaine zu tun hatte, kann nur den Kopf über alle schütteln, die ihm seine öffentlich bekundete Sorge um die Minderbemittelten abnehmen. Aber nur bei Westerwelle ist sich die Klasse der Meinungsmacher so einig, dass er ein Wichtigtuer, ein Blender, kurz, ein Unglück für Deutschland sei. Man

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