Der schwarze Kanal
vielfach behauptet, scheint mir doch eher fraglich. Ansonsten halte ich mich an den Satz von Karl Kraus: «Was trifft, trifft auch zu.» Daran gemessen kann nicht alles verkehrt sein, was sich im Folgenden an Texten findet – das ist jedenfalls die Hoffnung, an der ich mich festhalte.
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Utopie und Terror
Selbst in der eigenen Partei waren sie zuletzt etwas unglücklich über die Vorsitzende der Linken und ihr Bekenntnis zum Kommunismus. Allerdings weniger aus inhaltlichen Gründen, wie die halbherzigen Distanzierungen zeigten. In der Sache hatten dort nur die wenigsten an den Äußerungen von Gesine Lötzsch etwas auszusetzen. Man nahm ihr vor allem übel, dass sie den Leuten so direkt auf die Nase gebunden hatte, wohin die Reise mit der Linkspartei geht, sollte sie wieder an die Macht kommen.
Von einer «unglücklichen Formulierung» sprach Gregor Gysi entschuldigend; wer über Kommunismus rede, müsse damit rechnen, dass andere dabei auch an Stalin und die Mauer dächten. Ja, an was denn sonst? Etwa an die Segnungen der chinesischen Kulturrevolution, die vorbildlichen marxistischen Erziehungsexperimente in Kambodscha oder die Vorzüge der kleinen Dschungeldespotie auf Kuba?
Ihren Kinderglauben an die moralische Überlegenheit des Kommunismus hat sich die Linke in Deutschland bis heute nicht nehmen lassen, das gilt weit über die Linkspartei hinaus. Niemand klaren Verstandes käme auf die Idee, am Nationalsozialismus noch irgendetwas Gutes zu sehen; beim Kommunismus, der anderen mörderischen Großideologie des 20. Jahrhunderts, ist das selbstverständlich anders. Der Trick besteht darin, Idee und Ausführung zu trennen. Linke meinten mit Kommunismus etwas «sehr Edles», heißt es von Leuten wie Gysi in schöner Unschuld, nämlich eine «höchst gerechte und humane» Gesellschaft. Das Ideal ist nur ohne die entsprechende Praxis nicht zu haben.
Der Klassenwahn endet, konsequent zu Ende gedacht, nicht viel besser als der Rassenwahn. Es ist kein Zufall, dass überall dort, wo sich Revolutionäre daranmachten, die marxistische Idee in die Wirklichkeit zu überführen, als Erstes die Umerziehungslager eröffneten. Wer eine klassenlose Gesellschaft anstrebt, wird die Feinde dieser Gesellschaft aus dem Verkehr ziehen müssen. Die kommunistische Utopie, in der Gier und Egoismus ausgemerzt sind, setzt auf die Verbesserung des Menschengeschlechts, anders funktioniert es nicht. Weil man ewig darauf warten müsste, dass sich der Mensch von selber bessert, kommt man nicht umhin, von Staatswegen nachzuhelfen, daher immer auch der Terror.
Zu den Meinungen, mit denen man sich in Deutschland aus gutem Grund unmöglich macht, gehört die Verharmlosung der Nazi-Diktatur. Wer heute von den Opfern spräche, die «im Namen des Nationalsozialismus» ihr Leben ließen, hätte sich diskursmoralisch zu Recht disqualifiziert. Wenn umgekehrt die Abgeordnete Sahra Wagenknecht angesichts der 90 Millionen Toten, die auf das Konto des praktischen Marxismus gehen, von den Verbrechen spricht, «die im Namen des Kommunismus begangen wurden», findet komischerweise niemand etwas dabei.
Irgendwie gelten die Leichen, die der Kommunismus hinterlassen hat, immer noch als bedauerlicher, aber entschuldbarer Betriebsunfall der Geschichte. «Vertreibung der Kulaken durch Stalin» nannte Jürgen Habermas schon im berühmten Historikerstreit nonchalant, was mit schätzungsweise 10 Millionen Toten eine der größten Auslöschungsaktionen der Geschichte ist. Das «Schwarzbuch des Kommunismus», eine erste Aufzählung der in der Umsetzung der marxistischen Theorie verübten Verbrechen, wurde im deutschen Feuilleton vor allem unter der Frage diskutiert, ob man «roter Holocaust» sagen dürfe. Ansonsten galt das «Schwarzbuch» als «Tendenzhistorie» (Hans Mommsen), die auf «Pauschalverurteilungen statt Erklärungen» setze. Manchmal können Pauschalverurteilungen durchaus angezeigt sein.
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Warum Grün nicht das neue Gelb ist
Zu den politischen Wieselwörtern, die derzeit in Mode sind, gehört das von den Grünen als «neuer FDP ». Die Grünen, so heißt es, könnten dem liberalen Bürgertum, das sich von den Freidemokraten abwendet, eine neue Heimstatt bieten. In einem bemerkenswerten Interview mit dem «Handelsblatt», das marktwirtschaftlich denkenden Menschen naturgemäß besonders nahesteht, hat der Parteivorsitzende Cem Özdemir alle enttäuschten FDP -Wähler eingeladen, doch beim nächsten Mal
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