Der schwarze Kanal
Gefühlspolitik. Wenn die Gegenseite regiert, sinkt immer gleich die Temperatur, dabei würde der armen Robbe ein wenig mehr Kälte ganz guttun. Das andere Signalwort im politischen Emotionalienhandel ist Angst. Da kann ein ganzes Podium von Fachleuten geduldig erklärt haben, warum der neue Golfplatz kein bedrohliches Risiko darstellt: Es muss nur jemand aufstehen und sagen, er habe aber solche Angst, dann ist die Sache gelaufen. «Da können die Experten einpacken», wie die Autoren des munteren Büchleins «Schöner denken» das Prinzip schon vor ein paar Jahren beschrieben.
Das ist alles sehr sympathisch, ohne Zweifel, so wie ja auch Manuela Schwesig eine hochsympathische Person ist. Die Frage ist nur, wie gut sich ein Land regieren lässt, wenn einem ständig das Herz blutet. Verantwortliche Politik kommt ohne Zumutungen nicht aus – spätestens in der Außenpolitik braucht es einen kühlen Kopf. Oder glaubt jemand ernsthaft, dass ein Nicolas Sarkozy oder Wladimir Putin auch so beeindruckt wären, wie nun die deutsche Medienöffentlichkeit, wenn eine Bundeskanzlerin Schwesig ihnen entgegenhielte, sie sei jetzt aber so betroffen?
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Grüner Vampirismus
Zu den großen, unvollendeten Projekten der Parteivorsitzenden Angela Merkel gehört die Modernisierung der CDU . Weiblicher, jünger, großstädtischer soll die Partei werden, mit einem Wort: irgendwie grüner. Da liegt es nur nahe, auch auf Regierungsebene zusammenzuführen, was scheinbar längst zueinanderwill. Noch traut sich die Kanzlerin nicht, selbst von einem Bündnis mit den Grünen zu reden; als «Hirngespinste» hat sie entsprechende Überlegungen abgetan, so viel Rücksicht auf den aktuellen Koalitionspartner nimmt sie dann doch. Aber schon eine Ebene tiefer, in der zweiten Reihe der Partei, redet man munter über die Vorzüge einer schwarz-grünen Verbindung.
Sie sei ein offener Mensch und gehe auf die Leute zu, antwortete die CDU -Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, ganz unbefangen auf die Frage, wie sie über eine Koalition mit den Grünen in Mainz denke. «Schwarz-Grün ist nicht tot, weder in den Ländern noch im Bund», heißt es von der stellvertretenden CDU -Vorsitzenden und Forschungsministerin Annette Schavan, die eine besonders enge Vertraute der Kanzlerin ist. Die FDP gilt in diesen Kreisen nur noch als Klotz am Bein, dessen man sich gern schnell entledigen würde. Man weiß nur noch nicht genau, wie.
Besonderen Beifall findet die endgültige Umarmung von Grünen und Christdemokraten in den Meinungsetagen des linksliberalen Bürgertums, kaum ein politisches Projekt erfreut sich dort solcher Zustimmung. Die glühendsten Befürworter trifft man dabei unter langjährigen Grün-Wählern, die mit Angela Merkel 2005 erstmals CDU gewählt haben und die deswegen bis heute ein schlechtes Gewissen quält. Ein schwarz-grünes Zusammenrücken wäre die nachträgliche Absolution des halbherzigen Lagerwechsels, der Beweis, dass die Union im Kern doch gut ist und man mit seiner Wahlentscheidung nicht die eigenen Ideale verraten hat.
Eine ganz andere Frage ist, wie der Union eine solche Operation bekommen würde. Nach den bisherigen Erfahrungen kann man nur sagen: Good luck, liebe CDU ! Das schwarz-grüne Vorzeigeprojekt in Hamburg ist krachend gescheitert. Weil die Grünen mitten in der Legislatur einfach das Wirtstier verließen, wird die Stadt nun wieder links regiert. Dass die Umweltfreunde in der neuen Regierung nicht mehr vertreten sind, liegt am überraschend starken Abschneiden der SPD , aber auch sie konnten zulegen.Tatsächlich haben schwarz-grüne Koalitionen immer nur einen Verlierer, wie ein Blick nach Köln und Kiel zeigt, wo ein solches, von allen Seiten gelobtes Bündnis schon vorher so endete wie das in Hamburg.
Wer sich mit den Vertretern der Ökopartei einlässt, sollte sich anschließend nicht wundern, wenn er kräftig Blut lässt. Diese Erfahrung mussten schon die Sozialdemokraten machen, die sich an der Seite der Grünen deutlich mehr veränderten als diese an der Seite der SPD . Wir haben uns angewöhnt, beide Parteien als natürliche Partner zu sehen, dabei stand die Sozialdemokratie der Ökopartei in ihren Traditionsrevieren lange ausgesprochen skeptisch gegenüber. Die Technikfeindlichkeit der Grünen war ihr ebenso fremd wie deren gesellschaftspolitischer Erneuerungsglaube. Die SPD war dem kapitalistischen Fortschritt immer aufgeschlossen, in normalen
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