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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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grollten, taten aber, wie ihnen geheißen.
    «Herr», sprach Chanat später Attila vertraulich an. «Die Frauen der Kutriguren – wenn wir uns eine Frau unter ihnen aussuchen sollen, wie du uns angehalten hast   …»
    Attila wandte sich um und sah ihn fragend an.
    «Man soll sich nicht auf den ersten Eindruck verlassen.» Chanat schnitzte an einem Stock.
    «Nein, möglichst nicht», stimmte Attila zu.
    «Seit langem habe ich keine Frau mehr angeschaut. Normalerweise führt allein so eine lange Zeit der Einsamkeit dazu, dass man seine Ansprüche herunterschraubt.»
    «Man erweitert seine Interessen auf diese Weise», sagte Attila.
    «Du sprichst wie ein Perser.»
    In einiger Entfernung ging eine Frau zwischen den Zelten vorbei, sie trug Wasser.
    «Sieh dir die da an», sagte Attila. «Was hältst du von ihr?»
    Chanat kniff die Augen zusammen und verzog dann das ganze Gesicht, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen. «Sie hat bestimmt schon vierzig Lenze auf dem Buckel.»
    «Ältere Frauen», sagte Attila, «haben mehr Erfahrung, größeren Appetit und sind dankbarer!»
    Chanat brummte unwirsch.
    Am nächsten Tag kam Chanat wieder zu Attila.
    «Die Brüste sind nicht gut», sagte er. «Wie ein Paar Kastanienblätter im Herbst. Aber mit dem anderen ist es, wie du sagtest: Das wiegt es wieder auf.»
    «Mein Herz schnellt vor Freude empor wie ein Falke», sagte Attila.
    Später saß er mit überkreuzten Beinen am Feuer, neben sich Orestes in schweigsamer Kameradschaft, als er plötzlich vertraute Schritte hörte. Er hielt abwehrend die Hand in die Höhe.
    «Wenn du wieder über Ehefragen reden willst, vergiss es.»
    «Im Gegenteil, Herr.»
    Attila drehte sich rasch um und sah, dass der alte Krieger von einem bis zum anderen Ohr grinsend dastand.
    «Und ich habe ebenso wenig Lust, über deine ehelichen Heldentaten Bericht erstattet zu bekommen.»
    «Ich habe festgestellt», fuhr Chanat unbeirrt fort, «dass meine neue Frau mit dem Mann verheiratet war, den wir am ersten Tag umbrachten, auf der Anhöhe, als Yesukai, Gott habe ihn selig, die Rebhühner in die Flucht schlug.»
    «Ja, ich erinnere mich. Aber warum grinst du wie ein Affe? Musst du sie nicht an Händen und Füßen festbinden, bevor du dich zum Schlafen legst, damit sie dir nicht die Kehle durchschneidet, während du schnarchst?»
    «Im Gegenteil», rief Chanat lachend aus. «Sie hasste ihn von ganzem Herzen!» Er trat näher und stand atemlos vor ihnen. Dann sprach er so rasch und aufgeregt wie ein junger Mann, der vor seinen Kameraden angab. «Sie hasste ihn. Es war gut, dass dieser Mann starb. Er war grausam zu ihr und schlug sie aus bloßem Vergnügen. Immer wieder holte er einen alten, schon ganz harten Stock hervor, den er speziell für diese Zwecke aufbewahrte.» Er lachte. «Es machte ihm Spaß, am nächsten Morgen ihre blauen Flecke zu zählen und ihr unmögliche Aufgaben zu stellen, nur um sie scheitern zu sehen. Wir hätten ihn mit Stöcken erschlagen sollen!» Mit stolzem Gelächter drehte er sich um und eilte zum Zelt hinaus.
    Sie blickten ihm nach.
    «Diese neue Frau   …», murmelte Orestes. «Sie mag ja alt sein, aber ihre Art der Zuwendung macht ihn wieder zu einem jungen Mann.»
    «Das nennen die Chinesen die Vermischung von Yin und Yang», sagte Attila. «Erinnerst du dich an unsere Unterhaltung mit dem gefangenen Mönch am Gelben Fluss? Chanats Chi ist wieder in vollem Fluss.»
    Orestes überlief ein Schauder, Attila aber grinste.
    Dann griff Orestes in sein Gewand und zog ein kleines gebogenes Schmuckstück hervor. «Wo wir gerade von den Chinesen sprechen   …», sagte er und reichte es Attila.
    Der König besah es genauer. Es war eine bronzene Schnalle für das Gewand eines Edelmanns. «Wo hast du das gefunden?»
    «Nicht ich», sagte Orestes. «Geukchu, er hat Augen wie ein Habicht. Draußen in der Ebene, im Gras. Nicht weit von der Dsungarischen Pforte.»
    «So weit im Norden», grübelte Attila. «Plünderer?»
    «Möglicherweise. Es ist aber auch denkbar, dass die Heere der Nördlichen Wei-Dynastie unterwegs sind.»
    ***
    Es war um die Wintersonnwende, die Steppe eine einzige weiße Fläche, endlos und leer, mit Schnee bedeckt. Vor drei Monaten hatten sie sich von ihren Frauen und ihren noch so kleinen, erstaunt guckenden Kindern verabschiedet und waren fortgezogen. Einigen Männern kam es vor, als sei es schon Jahre her. Damals war es Spätherbst, und dass sie in der trostlosen Jahreszeit loszogen, hatte viele der

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