Der schwarze Krieger
auf, setzte die Spitze des Messers zwischen seinen Rippen an und stieß es in die Lunge. Der König bäumte sich auf und rang nach Atem, ein Pfeifen war zu hören.
Unter ihren schwarzen Brauen sah sie zu Orestes auf.
«Kommt etwas Blasses heraus, wird er leben», sagte sie. «Ist es dick und gelb, wird er sterben.»
«Weiter reichen deine Zauberkünste nicht?», fuhr Orestes sie an.
Sie achtete nicht auf ihn und zog langsam das Messer aus der tiefen, schmalen Wunde. Eiter tröpfelte heraus.
Orestes ließ die Schultern hängen und beugte sich darüber.
Die Flüssigkeit war klar wie Quellwasser.
Sie saugte den Eiter mit einem Leintuch auf, dann ließ sie ihn erneut herauslaufen und tupfte die Wunde ab. Schließlich rollte sie eine Leinenbinde zusammen und versiegelte damit die Wunde.
Urplötzlich erhob sie sich und ging zum Zelt hinaus. Sie werde am nächsten Tag wiederkommen, verkündete sie dabei.
Orestes schlief dort ein, wo er gesessen hatte. Sein Kopf lag auf dem Fußende von Attilas Bett.
Sie hielt Wort. Jeden Morgen und jeden Abend vollzog sie ihre kleine, grausige Operation, und jeden Tag kam etwas weniger Eiter heraus. Am dritten Tag war das Fieber desKönigs gesunken. Sein Atem ging vorsichtig, es arbeitete die gesunde Lunge, doch die andere heilte rasch.
Enkhtuya machte Wickel und Verbände aus Wollkraut und Klee, gekochtem Herzgespannkraut, Weißem Andorn und Flachssamen, die mit dem Saft von Schwarzem Nachtschatten und Waid getränkt waren. Attila hustete noch ein paar Tage lang sehr heftig. Doch am siebten Tag, nachdem Enkhtuya zu ihm gekommen war, stand er wieder auf den Beinen, als Orestes das Zelt betrat.
«Du sollst dich ausruhen!», rief er.
Attila drehte sich zu ihm um, schnappte sich sein Schwert, das an einem Zeltpfosten hing, zog es aus der Scheide und hieb mit einer raschen Bewegung auf Orestes ein. Dieser konnte sich gerade noch rechtzeitig ducken, sonst hätte es ihn schwer verwundet.
Er richtete sich wieder auf. «Gott im Himmel!»
Attila steckte das Schwert zurück in die Scheide und grinste.
10.
Große und kleine Aufbrüche
Bei der Vorstellung, sich mit den Kutriguren zusammenzuschließen, reagierten seine Männer zunächst mit Unzufriedenheit und Widerstand.
«Stellt euch vor, was für einen Schrecken wir jetzt unter unseren Feinden verbreiten werden», sagte Geukchu. «In so großer Zahl! O Herr, wie stark wir alle zusammen sein werden!» Ob Geukchu es tatsächlich ernst meinte, war schwer zu entscheiden.
«Hoffentlich», zwitscherte Kleiner Vogel, der wie immer zwischen Sarkasmus und Aufrichtigkeit zu schwanken schien. «Hoffentlich kommen wir nicht an einem See vorbei. Unser Spiegelbild würde uns sicherlich töten, so entsetzlich wäre es! Und hoffentlich dauert unsere Freundschaft mit den Kutriguren an. Bürgerkrieg ist so etwas Entsetzliches und …»
«Friede, du Narr», schnitt Attila ihm das Wort ab. «Wir marschieren unter einer Fahne.»
«Und auch unter einem König?»
«Es kann nur einen König geben.» Attila warf Kleiner Vogel einen feindseligen Blick zu. «Und noch etwas. Ich werde es nicht dulden, dass du deine Spitzen gegen den Häuptling Himmel-in-Fetzen richtest.»
Kleiner Vogels Augen funkelten vor Schadenfreude beim Gedanken daran, den ochsenhaften Narren zum Besten zu halten. Doch Attila kniff seine Augen zu Schlitzen zusammen und deutete mit dem Finger auf ihn: «Verstehst du? Du kannst mich foppen, so viel du magst, mir ist es egal. Wortesind nur Worte. Aber Männer wie Himmel-in-Fetzen empfinden solche Spötteleien als Erniedrigung. Worte machen ihnen Angst. Und du wirst diese wacklige Allianz zweier Stämme nicht durch deinen Unfug auseinanderbrechen lassen!»
Chanat saß im Schneidersitz im Staub. Er sah nicht auf. Sein langes, zottiges Haar fiel ihm halb übers Gesicht. Er sprach leise, aber klar.
«Herr, die Kutriguren sind nicht unser Volk. Sie leben anders als wir. Ihre Bräuche …» Er wandte sich zur Seite und spuckte in den Staub, und alle wussten, auf welche Bräuche er sich bezog. «Ihre Bräuche sind nicht die unsren.»
«Und die Bräuche von …» Kleiner Vogel zitterte und konnte den Namen nicht sagen. «Und die Bräuche der Hexe sind auch nicht die meinen.»
«Sie hat mir das Leben gerettet.»
«Trotzdem, sie riecht nach Tod.»
Attila strich sich über den dünnen Bart und achtete nicht weiter auf ihn. Dann blickte er Chanat unverwandt an, dessen Augen funkelten und der ganz angespannt dasaß.
«Was willst du
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