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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Becher um Becher hatten leeren sehen, ohne dass er auch nur im Mindesten gelallt hätte oder ins Torkeln geraten wäre, ritt nun zwischen den Zelten hin und her. Der wenige Schlaf schien seine Energie noch zu steigern. Er fletschte die Zähne wie ein Wolf, während seine goldenen Ohrringe im Sonnenscheintanzten. Dann rief er sie alle einzeln auf, jeden Namen hatte er im Gedächtnis behalten.
    «Weltreiche erobert man nicht, indem man schläft!», brüllte er vom Sattel herab zu den Zelteingängen hinein. «Schüttle deine alten Knochen aus, Bayan-Kasgar! Du wirst niemals reich und schön werden, wenn du hier im Zelt liegst und vor dich hin furzt! Auf zur Versammlung! Wir planen Krieg!»
    Dann verschwand er in einer Staubwolke, um Himmel-in-Fetzen heimzusuchen, der noch immer selig schlummernd zwischen seinen beiden Lieblingsfrauen lag.
    Der arme Bayan-Kasgar, der sich an diesem Morgen weniger denn je als Schöner Wolf fühlte, kroch aus seinem Zelt, streckte sich schwerfällig und blickte verschlafen um sich.
    Über der Steppe sah er einen seltsam glänzenden Silberstreif am Horizont, was ungewöhnlich war im Spätsommer und von baldiger Kälte kündete. Der Himmel war schiefergrau und wirkte schwer, eine zusätzliche Last bei Kopfschmerzen. Zwischen den Zelten qualmten einzelne Dungfeuer, und in den Pferchen standen die Pferde, den Rücken mit Tau bedeckt und die feuchten Köpfe tief gesenkt. Von allen Seiten kamen Männer aus den Zelten, von der nimmermüden wilden Energie ihres Anführers geweckt. Sie hatten einen üblen Geschmack im Mund und ein Kratzen in der Kehle, der Magen war bitter, und der Schädel pochte. Sie fühlten sich uralt. Nach weniger als drei Stunden Schlaf lagen die Nerven blank.
    Und doch schleppten sie sich gehorsam aus den Zelten, denn sie wussten, dass dieser König nicht den geringsten Widerspruch duldete. In den Zelten drehten sich viele Ehefrauen noch einmal unter ihren Decken um, seufzten erleichtert und schliefen wieder ein.

17.
Attila spricht
    Attila saß auf seinem schlichten Holzthron auf der einen Seite des Versammlungsortes, seine großen Hände umklammerten die geschnitzten Pferdeköpfe an den Armlehnen. Seine Augen blitzten. In der Mitte des Raumes stand eine dunkle hölzerne Truhe. Die Häuptlinge hatten sich im Kreis gesetzt, hinter ihnen drängten immer mehr Neugierige herbei. Bleda, sein Bruder, saß zur Rechten des Königs.
    Seit er zurückgekehrt war, hatte Bleda wenig mit ihm gesprochen, abgesehen von formelhaften Wendungen, wie sehr er sich freue, dass er wohlbehalten wieder hier sei. Attila wusste, weshalb. Sein Bruder spielte mit dem Gedanken, ihm den Thron zu überlassen, darauf spekulierend, dass er ihn über kurz oder lang mit Hilfe byzantinischer Waffen doch wieder einnehmen würde. In der vergangenen Nacht, als Bleda betrunken am Eingang zu seinem Zelt lehnte, eine Spur Erbrochenes auf der Brust, während seine Frauen seltsamerweise nicht da waren, war Orestes lautlos über die schwabbelige Gestalt am Zelteingang gestiegen und hatte rasch das Zeltinnere durchsucht. Er hatte sofort gefunden, wonach er gesucht hatte: eine kleine Schatulle aus Olivenholz, von griechischen Künstlern verziert, wie er befriedigt feststellte. Sie enthielt vier Schriftrollen. Briefe von Kaiser Theodosius, in dem blumigen, aufgeblähten Stil der Byzantiner verfasst.
    Der erste Brief begann mit folgenden Worten:
    «Unserem geliebten Bruder Bleda, Sohn Mundschuks, Sohn Uldins, des Großen, unserem höchstverehrten Bündnisgenossen, unserem Bollwerk gegen die Horden aus demOsten, unserem allseits geschätzten Verbündeten, dem Herrn über ganz Skythien unter Theodosius, dem Vizeregenten des Allmächtigen Gottes auf Erden und unserem lieben Bruder in Christus, die herzlichsten Grüße».
    Bleda war also ganz offiziell ein Anhänger von Christus geworden? Orestes grinste und legte die Schriftrollen in die Schatulle zurück. Es geschahen noch immer Zeichen und Wunder.
    Als der leichtfüßige Grieche aus dem Zelt trat, dachte er bei sich, wie leicht es doch wäre, sich hinabzubeugen und Bleda die Kehle durchzuschneiden. Man könnte es auf eine seiner Ehefrauen schieben, die gerade fröhlich von einem Stelldichein mit ihrem Geliebten nach Hause getrippelt kam. Nun versperrte ihr dieses Schwein von einem Gemahl nicht nur den Zelteingang, sondern drohte auch ihr schönes Leben zunichtezumachen. Man hätte sie ein wenig ausgepeitscht und ihr dann vergeben. Doch nein: Bleda würde das übliche

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