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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Und was für eine große Schar befreundeter Hunnen aus dem Osten sich ihnen angeschlossen hatte! Alles war im Umbruch, es herrschte eine aufgeregte Unruhe.
    Die hereinbrechende Dunkelheit wurde mit Freudenfeuern, die überall entzündet wurden, gebannt, und alle begannen zu tanzen, zu trinken und zu feiern. Etliche Männer hatten es eilig, mit ihren Frauen im Zelt zu verschwinden, und wurden einen ganzen Tag und eine ganze Nacht nicht mehr gesehen. Es wurde sogar scherzhaft behauptet, allerdings eher unter den Frauen am Fluss als unter den Männern, die derartige Scherze keineswegs so lustig finden, dass in jener erhitzten Dunkelheit eine Menge Begegnungen zwischen Männern und Frauen stattfanden, die, bei Tageslicht besehen, gar nicht miteinander verheiratet waren! In neun Monaten, kicherten die Frauen, würde es mehr «Festkinder» geben als gewöhnlich.
    Als nach dieser Nacht der Wiedervereinigung und des Feierns der Tag anbrach, lag eine seltsam verunsicherte Stimmung in der Luft. Ein oder zwei Frühaufsteher schleppten sich aus den Zelten und streunten zwischen den letzten rauchenden Feuern umher. Müde standen sie da und schauten über das riesige Lager. Wollte man es von einem bis zum anderen Ende durchwandern, brauchte man eine Stundeoder länger. Plötzlich schien das alles unwirklich und schwer zu fassen. Der Traum eines Verrückten   …
    Das Ende des Sommers nahte. Zehntausende stellten sich nun die Frage: Und jetzt? Von einem Weltreich und von Eroberung zu reden war gut und schön, aber   …
    Da war dieser eine Mann. Nur er. Ein außerordentlicher Mann, das war ihnen klar, ein großer Tanjou. Doch außer ihm gab es nichts als ein paar Quadratmeilen schäbiges Grasland, Pferche mit erschöpften Pferden nun am Ende des Sommers, eines Sommers, der so rasch verflog, als sie nach Westen galoppiert waren, dass sie das Gefühl hatten, ihn gar nicht richtig ausgekostet zu haben. Eine allgemeine Mattigkeit und Erschlaffung der Natur machten sich breit, die Blumen begannen bereits zu vertrocknen und ließen ihre voll ausgewachsenen Köpfe hängen. Was für ein Kontrast zum zarten Versprechen des Frühlings.
    Unvorstellbar, dass ein einziger Mann, wie mächtig und großartig sein Vorstellungsvermögen auch sein mochte, eine ganze Nation verwandter Völker derart beleben und inspirieren konnte! Ganz gewiss nicht jetzt, in der schläfrigen, staubigen Zeit des Jahresendes, wenn die Gedanken der Menschen wie auch der Tiere sich auf die Bequemlichkeit von Winterweiden, Schutz vor bevorstehenden Schneestürmen und lange, lange Nächte richteten, die unter dunklen Pelzen verschlafen wurden.
    Hatten sie den ganzen Weg gemacht, um jetzt festzustellen, dass es ein Irrweg gewesen war?
    Es war eine riesige Menschenmenge, so schien es. Rugas Stamm der Schwarzen Hunnen hatte vielleicht viertausend Menschen gezählt, davon waren etwa eintausend Krieger. Nach dem Zusammenschluss mit den anderen Stämmen waren es zehn- oder zwanzigtausend, und jetzt, obwohl diesniemand zählen konnte, waren es noch viel mehr, davon bestimmt zehn- oder gar zwanzigtausend Krieger. Eine gewaltige Armee, doch schon bald würde es vor allem eine hungrige Armee sein. Wie die Kornbündel einer unvorstellbar großen Ernte erstreckten sich die Zelte von Attilas vielen Völkern weiter, als das Auge reichte. Fünfzigtausend? Einhunderttausend? Wer vermochte es zu sagen, wer konnte sie zählen. Allmählich machte ihnen ihre schiere Zahl Angst.
    Jetzt, im fahlen Morgenlicht, wirkte die Welt auf die Nachtschwärmer, die vielen Häuptlinge, Fürsten und Bandenanführer nüchtern und ganz anders. Ihr Weltreich schien in weite Ferne gerückt.
    Attila kam aus seinem Palast, verschränkte die Arme vor der Brust und verkündete, es werde eine große Versammlung geben. Er werde zu ihnen sprechen. Er wurde gefragt, wann, und er lächelte: «Jetzt.» Er ordnete an, dass alle Häuptlinge der verschiedenen Völker, Bayan-Kasgar und Kuridach und Charaton und Himmel-in-Fetzen, außerdem seine Erwählten und die Befehlshaber seiner Regimenter sich vor ihm zu versammeln hatten. Der Rest der Leute würde im Hintergrund zuhören müssen, so gut es eben ging.
    Eine gewisse Verstimmung über die mangelnde Rücksichtnahme ihres Anführers machte sich breit. «Viel Kumyss, viel Schlaf», so lautete ein Sprichwort der Hunnen, dieser Tyrann aber hatte ihnen nicht mehr als zwei, drei Stunden unter ihren Bettdecken erlaubt. Er selbst, Attila, den sie mit eigenen Augen am Abend zuvor

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